Was uns nicht gehört - Roman
ziehen, ein Versuch, der genauso ins Leere gegangen war wie der, unsere Café-Rechnung mit Karte zu bezahlen. Der Inhalt meines Geldbeutels reichte gerade noch für den griechischen Grillteller, vor dem ich wenig später saß und in dem ich ohne rechten Hunger herumstocherte, schon das Bier, das ich mir dazu hatte bestellen wollen, konnte ich mir nicht mehr leisten. Warum nur, dachte ich, hatte ich nicht auf den Grillteller verzichtet und stattdessen fünf Bier bestellt? Ja, mir war eindeutig der Sinn danach, mich zu betrinken, aber der einzige Alkohol, der für mich in erreichbarer Nähe war, waren die Reste in der Remy-Martin-Flasche in Marias Wagen, und dorthin wollte ich nicht zurück. Nicht bevor sie ihn für ihr Abendkonzert erneut verlassen hatte, aber bis dahin war es lang, zu lang, um die Zeit mit meinem Grillteller zu verbringen. Im Gegenteil konnte ich den Grillteller bald schon nicht mehr sehen und ließ ihn abräumen, und als ich kurz darauf zahlte, wartete ich vergeblich auf einen Ouzo aufs Haus.
Ohne Gruß verließ ich das Lokal. Der Wind vom Vorabend hatte sich längst gelegt, trotzdem war es nach wie vor ungemütlich draußen. Ein nassgrauer Herbsttag, wie gemacht, um ihn im Bett zu vertrödeln. Ich ging in ein Kaufhaus und schob mich ziellos durch die Abteilungen. Vorbei an Kinderspielzeug, Auslegware und Spitzenunterwäsche, und als ich schließlich im Untergeschoss vor einem Regal mit Rotweinen aus Chile stand, nahm ich, ohne weiter darüber nachzudenken, eine Flasche Syrah heraus und steckte sie in meine Manteltasche. Die Tasche war für die Flasche viel zu klein, und ich war mir sicher, schon im nächsten Augenblick von einem Kaufhausdetektiv an der Schulter gepackt und in einen neonbeleuchteten Nebenraum geführt zu werden, aber niemand behelligte mich, und als ich Minuten später zurück auf der Straße war, nahm ich die Flasche aus der Tasche und stellte sie ein paar Meter weiter einem Obdachlosen neben den Hut.
Ich zog mein Handy hervor und sah, dass Sonja mich versucht hatte zu erreichen. Fünf Mal kurz hintereinander, eine Ungeduld, die ich von ihr nicht kannte und die mir nichts Gutes verhieß. Trotzdem rang ich eine Zeitlang mit mir, sie zurückzurufen. Ich spürte, wie eine Sehnsucht in mir aufstieg, nicht nach Sonja, aber doch nach der Welt, für die sie stand, nach meiner Welt, in der ich mich noch immer auszukennen glaubte und die mir außer meinem Vater nur wenig Rätsel aufgab. Vielleicht das, wie ich weiter finanziell über die Runden kam, aber das ließ sich schon irgendwie lösen. Das Telefon noch immer in der Hand, setzte ich mich auf eine Bank, doch die Bank war kalt und nass, und als ich Sekunden später wieder aufstand, fror ich noch mehr als zuvor.
Ich steckte das Handy zurück in die Hosentasche und sah zwei Männern beim Streiten zu. Sie standen auf der anderen Straßenseite vor einer Bäckerei und schrien wild gestikulierend aufeinander ein, und bald schon hatte sich eine kleine Gruppe von Passanten um sie herum gebildet, die auf mehr zu warten schienen. Ich war erschöpft und müde und wollte zurück ins Bett, selbst dann, wenn Maria dort lag und mich an mein Warten der letzten Nacht erinnerte. Wahrscheinlich schlief sie noch immer, schlief und räkelte sich durch ihre Träume, doch als ich zurück zum Parkplatz kam, stand sie in der offenen Tür und rauchte. Ich ging an ihr vorbei in den Wagen und zog meine nassen Sachen aus, und als ich nur noch in Unterwäsche dastand und gerade dabei war, mir aus meiner Tasche die letzten frischen Sachen herauszufingern, die ich noch hatte, spürte ich Marias Körper an meinem Rücken und kurz darauf ihre Hand auf meinem Geschlecht.
«Schlaf mit mir», sagte Maria, und obwohl sie leise sprach, klangen ihre Worte wie ein Befehl.
Ich drehte mich zu ihr um, ohne dass Maria dabei ihre Hand von meinem Schwanz nahm, und als wir kurz darauf ineinander verschlungen auf dem Bett lagen, kam mir unser Sex nicht wie die Erfüllung eines lange aufgestauten Verlangens vor, sondern lediglich wie eine weitere Eigentümlichkeit dieses Tages, nicht anders als mein dilettantischer Ladendiebstahl oder Sonjas unerklärliche Anrufflut. Maria saß auf mir und bewegte sich sehr langsam, und als ich trotzdem nach wenigen Minuten kam, ließ sie ihre Brust auf meine sinken und biss mich ins Ohr. Später lagen wir lange schweigend nebeneinander und hielten uns an den Händen, so lange, bis schon die Dämmerung in den Wagen kroch.
«Jetzt», sagte Maria
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