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Was uns nicht gehört - Roman

Was uns nicht gehört - Roman

Titel: Was uns nicht gehört - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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rollten wir ohne ein weiteres Wort zurück auf die Straße.
    Nach einiger Zeit stand ich vom Bett auf und ging nach draußen. Der Wind war zum Sturm geworden und drohte mich umzuwerfen, aber letztlich schaffte ich es ohne zu straucheln bis ins Haus. Am Empfang saß ein Mann mit rundem Kopf und schütteren Haaren, der in einer Zeitschrift blätterte und mich nicht wahrzunehmen schien. Ich setzte mich in eine Sitzecke an der Fensterfront und versuchte der Stille irgendetwas von Marias Konzert abzulauschen, aber außer dem Sturm, der am Haus ruckelte, und dem dunklen Brummen eines Getränkeautomaten hörte ich nichts. Obwohl ich auf der Rückfahrt ein bisschen geschlafen hatte, überfiel mich urplötzlich eine schreckliche Müdigkeit. Ich ließ meinen Kopf nach hinten auf die Rückenlehne sinken und nickte tatsächlich binnen Sekunden ein, und als ich wieder aufwachte, fehlte mir jedes Gefühl dafür, wie lange ich geschlafen hatte. Der Mann am Empfang war verschwunden und hatte einer jungen Frau Platz gemacht, die in derselben Zeitschrift blätterte wie er und die immer wieder zwischendurch gähnte. Ich ging zu ihr und fragte sie nach dem Konzert im Speisesaal, aber die Frau wusste nichts von einem Konzert und interessierte sich auch nicht weiter dafür.
    «Zu wem wollen Sie?», fragte sie mich stattdessen und legte nun immerhin ihre Zeitschrift beiseite.
    Sie lächelte mich an, ein Lächeln, dem sie gar nicht erst den Anschein zu geben versuchte, echt zu sein, und das den Blick freigab auf zwei Reihen schlechter Zähne.
    «Ich möchte zu gar niemandem», erwiderte ich, «ich will nur wissen, ob das Konzert noch läuft.»
    Die Frau nickte. «Ihnen ist aber schon klar, wo sie sind», sagte sie, und ohne meine Antwort abzuwarten, fügte sie hinzu: «Es ist kurz vor halb elf, keine Ahnung, warum ich Sie überhaupt so lange habe schlafen lassen. Besser, Sie gehen jetzt.»
    «Nein, nein», erwiderte ich, «das ist ein Missverständnis», aber die Frau schien nicht viel von Missverständnissen zu halten und griff zum Telefonhörer.
    Beschwichtigend hob ich die Hände, und als die Frau davon unbeeindruckt zu wählen begann, drehte ich mich um und ging.
    Ich nahm an, dass Maria längst zurück im Wagen war. Vermutlich war sie durch einen Nebenausgang aus dem Haus gegangen und schlief bereits, aber als ich die Tür aufschloss, war alles so, wie ich es verlassen hatte. Ich wusste nicht, ob ich mich um Maria sorgen sollte, und beschloss, es nicht zu tun, aber Augenblicke später sorgte ich mich stattdessen um mich. Ich dachte an ihr Telefonat vom Vortag, das sie angeblich mir ihrer Nichte geführt hatte, und kurz darauf an ihre Worte, mit denen sie sich vor ein paar Stunden von mir verabschiedet hatte. Ja, ich war enttäuscht, schon jetzt, dabei wusste ich noch gar nicht, was los war. Ich legte mich aufs Bett und verschloss die Tür von innen, so dass Maria klopfen musste, wenn sie in der Nacht zurückkam, aber Maria kam nicht zurück, nicht in der Nacht und nicht am Morgen, und als sie schließlich gegen Mittag zurück in den Wagen stolperte, machte sie den Eindruck, als hätte sie die ganze Nacht nicht geschlafen. Sie trug noch immer ihr Paillettenkleid, ihre Perücke aber hielt sie in der Hand wie einen Skalp.
    «Ich hatte dich ein klein wenig früher erwartet», sagte ich, «aber schön, wenn du so viele Zugaben singen musstest.»
    Maria nickte. Sie schien meinen Sarkasmus nicht zu bemerken oder gab vor, ihn nicht zu bemerken, und warf ihre Perücke auf den Tisch.
    «War ein Reinfall, aber das hatte ich mir ja fast schon gedacht. Für zwei Konzerte am Tag bin ich einfach zu alt.»
    «Aber für sonst nichts.»
    Maria lachte. «Nein», sagte sie, «für sonst nichts.»
    Sie legte sich aufs Bett und streifte sich umständlich im Liegen ihr Kleid vom Körper, dann deckte sie sich zu und war kurz darauf eingeschlafen. Schon nach wenigen Atemzügen begann sie zu schnarchen. Noch einmal dachte ich an ihre Sätze im Zimmer meines Vaters, und noch einmal wusste ich nicht, was ich damit anfangen sollte. Ich ging nach draußen und rief im Pflegeheim an, aber die Nummer der Station war besetzt, und als ich es später noch einmal versuchte, hatte ich keinen Empfang. Ich lief ohne Plan durch die Straßen und überlegte mir, den nächsten Zug zurück nach Hause zu nehmen, dabei hatte ich längst nicht mehr genug Geld für eine Fahrkarte. Noch auf der Rückfahrt von meinem Vater hatte ich versucht, an einem Bankautomaten fünfzig Euro zu

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