Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was vom Tode übrig bleibt

Was vom Tode übrig bleibt

Titel: Was vom Tode übrig bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Anders
Vom Netzwerk:
öfter man Einsätze hat, desto sicherer ist, dass mal eines Tages etwas übersehen wird. Dass Petra das trotzdem mitmacht, ist sensationell. Und dass sie den Schritt zur Tatortreinigung mitgemacht hat, muss ich umso höher bewerten.
    Ich habe Petra natürlich vorher gefragt, was sie davon hält. Ich habe sie im Büro angerufen, ihr gesagt, dass ich das Angebot hätte, und sie hat schon während des Gesprächs an meiner Stimme gehört, dass ich das gerne machen wollte. Selbstverständlich hat sie das herausgehört– ich habe ja umgekehrt auch gehört, dass sich ihre Begeisterung in sehr überschaubaren Grenzen gehalten hat. Aber sie ist ihren Prinzipien treu geblieben, sie hat’s mir nicht ausgeredet. » Muss das sein?«, hat sie gefragt.
    Dann hat sie noch gesagt:
    » Du musst aber nicht glauben, dass ich da auch noch mitfahre!«
    Später hat sie mir dann erzählt, dass sie sich wieder ein bisschen selbst beschwindelt hat: Das wäre vielleicht nur eine Phase von mir, die ich nach einer gewissen Zeit wieder aufgebe. Aber das hatte ja schon bei den Wespen nicht geklappt…
    Anfangs hat sie noch befürchtet, sie könnte mich abends nicht mehr riechen, wenn ich vom Tatort zurückkomme. Aber mit den Overalls hat das bislang tadellos funktioniert. Sie nehmen in extremen Fällen zwar den Geruch an, aber hinterher werden sie nicht gewaschen, sondern weggeschmissen. Wir gehen da genauso vor wie bei den Schädlingseinsatzorten: Was mit Chemikalien oder den Tieren in Berührung kommt, wird entsorgt.
    Nur einmal hat Petra gestreikt. Das war, als ich nach einer Fernsehsendung auf die Idee gekommen bin, welches Gewerbe ein Tatortreiniger wie ich und eine Sonnen- und Beautystudio-Chefin wie sie gemeinsam betreiben könnten: nämlich ein Beerdigungsinstitut. Könnte ich mir gut vorstellen. Ein krisensicherer Job, und von den Dingen, die einem da begegnen, könnte mich vermutlich nicht mehr viel schockieren. Ich sarge ein, sie sorgt fürs richtige Aussehen. Und dann arbeiten wir Hand in Hand und sind den ganzen Tag zusammen– den Gedanken fände ich prima, und dabei bin ich wohl leicht über das Ziel hinausgeschossen.
    Betrunken war ich dabei nicht, ich trinke kaum Alkohol. Aber vielleicht habe ich ein wenig zu viel rumgesponnen. Jedenfalls hat Petra mit sehr wenigen Worten sehr deutlich gemacht, dass unsere berufliche Zukunft nicht im Bestattungsgewerbe liegen wird.
    Na gut, damit kann ich leben.
    Eins noch, nicht dass jemand auf den Gedanken kommen könnte, ich hätte mir bei der verwanzten Wohnung der Sozialhilfeempfängerin so viel Sorgen gemacht, weil ich meinen eigenen Methoden nicht traute– die Wohnung war bereits nach dem ersten Durchgang wanzenfrei. Wie bei uns üblich.

12. Der Tod ist eine Baustelle
    Eigentlich ist es verblüffend, dass auf Baustellen nicht mehr passiert. Denn Baustellen sind gefährlicher, als man denkt: Das Areal ist nur unzureichend gesichert, die verwendeten Geräte sind oft recht schwer, die Arbeit ist anstrengend, ermüdend und manchmal eintönig. Erst kürzlich haben Kollegen von mir einen Arbeiter tot geborgen, der einfach nur am falschen Ort stand, als bei einem offenbar mäßig gewarteten Kran das Tragseil abriss. Der Mann wurde dabei nicht einmal von irgendeiner Ladung erschlagen, sondern der Eisenhaken spaltete ihm vorne den Brustkorb der Länge nach auf. Im November mussten wir einen Arbeiter zusammenflicken, der auf einer Baustelle mit der Rüttelplatte unterwegs war. Die Rüttelplatte ähnelt einem Presslufthammer, hat unten aber keinen Meißelkopf, sondern eine Platte. Sie stemmt sich automatisch hoch, lässt sich fallen und presst mit dem Schwung ihres eigenen Gewichts den Boden unter sich zusammen. Man kann damit Sandboden festdrücken oder Kies, und das sollte der Arbeiter auch tun, im ersten Stock. Dabei ist er allerdings im Laufe seiner Arbeit vom ersten Stock abgerutscht in ein unfertiges Treppenhaus und fünf Meter in die Tiefe gestürzt.
    Immerhin– er hat überlebt. Knapp zwei Stunden später wurden meine Kollegen vom Rettungsdienst zu einer weiteren Baustelle gerufen– der Arbeiter dort wurde unser nächster Auftrag.
    So richtig erklären ließ sich sein Tod nicht. Der 35 -jährige Portugiese hatte mit seinen Kollegen an einem vierstöckigen Rohbau gearbeitet, er war routiniert und galt als zuverlässig. Der Rohbau war noch in einer relativ frühen Phase, die Arbeiter waren erst am Betonieren, Dach und Geländer fehlten noch.
    Nur zur Erklärung, weil einige beim Thema »

Weitere Kostenlose Bücher