Was vom Tode übrig bleibt
legt den Auslassschlauch in einen Auffangbehälter, wirft den Sauger an und kann in der Zwischenzeit andere Dinge reinigen. Ärgerlicherweise sind die Tauchpumpen empfindlich gegen Verstopfung durch Kleinteile. Also mussten wir den Elektrosauger nehmen. Vor etwa zwei Jahren hatte ich ihn mir bereits angeschafft, aber ihn noch nie benötigt– dies sollte tatsächlich sein erster Einsatz werden. Die Sache hatte nur zwei Nachteile: Erstens mussten wir mit dem Schlauch das Wasser an der Oberfläche von Hand einsaugen, das bedeutete, dass immer einer mit dem Schlauch beschäftigt sein würde. Und zweitens konnte man den E-Sauger nicht als Pumpe verwenden. Was immer er aufsaugte, pumpte er in seinen 30 -Liter-Tank und sonst nirgendwohin. Was wiederum bedeutete, dass wir alle 30 Liter den Sauger abschalten und nach oben zu den 120 -Liter-Plastikfässern würden tragen müssen, die ich mir von einer Recyclingfirma dorthin hatte liefern lassen. Und auch dann führte kein Weg daran vorbei, dass einer von uns in die Brühe steigen und das Wasser nach großen Gegenständen absuchen musste. Die Latexhandschuhe mussten entfernt werden und so ziemlich alles andere, was den Sauger verstopfen konnte. Klaus bediente den Saugschlauch. Und ich holte mir die Gummistiefel und stieg in die Wanne.
Ich zog erst einige Armiereisen aus dem Wasser, dann Holzbrettchen, Zigarettenschachteln und vollgesaugtes Dämmmaterial. Ich füllte alles in eine Tüte. Bei Klaus lief langsam der Tank voll. Ich stieg aus dem Wasser, spritzte meine Gummistiefel ab und schleppte mit ihm den Sauger hoch ins Erdgeschoss. Dann gingen wir wieder runter, er an den Schlauch, ich in die Blutsuppe.
Je näher ich der Aufschlagstelle kam, desto vorsichtiger wurde ich. Ich nahm dann nicht mehr die Hand, sondern ein Schäufelchen, ziemlich ähnlich den Schäufelchen, mit denen man Katzenklos nach Häufchen durchsucht. Ich fand Stücke vom Kiefer, einzelne Zähne, Klumpen mit Hirnmasse. Und ich fand erstaunlicherweise immer wieder Blutklumpen. Ich hatte angenommen, das Blut würde sich gleichmäßig im Wasser auflösen, aber es hatte offenbar auch immer wieder quallengroße Klumpen gebildet. Jedes Mal, wenn man das Gefühl hatte, die Brühe wurde klarer, stieß man an einen gallertartigen Klumpen, der bei Berührung sofort aufriss und eine noch intensivere rote Wolke verbreitete. Das war einigermaßen überraschend. Und vermutlich dauerte es auch deshalb einige Zeit, bis wir merkten, dass das Wasser nicht weniger wurde.
Im Grunde war das Ganze eine schlichte Sache des Kopfrechnens. Ich hatte wegen der Größe des Beckens und seiner Tiefe geschätzt, dass fünf 120 -Liter-Fässer nötig sein würden. Jetzt hatten wir das fünfte zu füllen begonnen, aber das Becken war längst nicht leer, und es ging deutlich auf elf Uhr zu. Um 20 Minuten vor elf kapitulierten wir, es wurden ja bereits Gestecke für die Trauerfeier gebracht. Also gingen wir zum Wagen, holten schwarze Abdeckplane und klebten das Becken blickdicht ab. Aber die Wassermenge blieb unbegreiflich. Wenn der Wasserspiegel bis dahin um fünf Zentimeter gesunken war, war es viel. Wir verzogen uns kopfschüttelnd und möglichst unauffällig. Es musste ja nicht sein, dass die Angehörigen auch noch irgendwelche Desinfektionsmenschen in weißen Anzügen erblicken mussten.
Eine Dreiviertelstunde später gehörte der Fundort wieder uns. Wir entfernten die Plane, Klaus hängte den Schlauch wieder ein, da sah ich es. Knapp über der Wasseroberfläche war ein schmales, schwarzes Rechteck. Ich stieg ins Becken, watete hin und betastete die Öffnung. Es war das obere Ende eines Schachts in der Wand. Das Ende konnte ich nicht erfühlen. Aber klar war, dass auch hier das Wasser stand. Möglicherweise führte der Schacht in einen Nebenraum.
Klaus stellte den Sauger ab. Ich stieg aus dem Becken. Und dann suchten wir das Kellergeschoss ab. Einen direkten Nebenraum gab es nicht. Es gab leere Kellerräume und einen Heizungskeller, in dem schon die Kessel standen. Keine Spur von Wasser, keine Spur von Blut. Eher aus Ratlosigkeit ging ich an den Kesseln vorbei und entdeckte, dass man hinter ihnen abbiegen konnte zu einem kleinen Durchlass, der in einen finsteren Raum führte. Wir holten uns aus dem Auto zwei Taschenlampen und kehrten zurück. Was wir sahen, war ein zweiter Raum mit einem Sockelbecken. Hier sollte vermutlich der Motor des Aufzugs stehen. Statt des Motors schwappte im Sockelbecken dieselbe blutige Brühe wie auf der
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