Was - Waere - Wenn
durch die Stadt bin ich gefahren! Was willst du denn
bei deiner alten Wohnung? Und was ist das überhaupt für ein Aufzug?« Angewidert
streckt er eine Hand aus, berührt meinen Overall und riecht anschließend an
seinen Fingern.
»Das wollte ich dich auch gerade fragen«, erwidere ich, zupfe ihn an
seinem Smoking und schnüffele dann demonstrativ ebenfalls an meinen Fingern.
»Sehr witzig, Charlotta!« Mit diesen Worten greift er nach meiner
Hand und zerrt mich Richtung Auto.
»He!« Ich mache mich los. »Was soll das werden? Eine Entführung?«
»Charlotta, für blöde Witze haben wir jetzt keine Zeit! Alle warten
schon auf uns, und du bist noch nicht einmal umgezogen. Oder willst du etwa so
vor den Altar treten?« Er nimmt wieder meine Hand. »Also laß uns endlich nach
Hause fahren, wir kommen sowieso schon zu spät.« Ich kann mich nicht bewegen,
meine Beine sind soeben zu zwei Salzsäulen erstarrt.
»Altar?« flüstere ich fassungslos.
»Ja, so heißt das wohl.« Moritz zerrt wieder an meiner Hand, ich
stolpere willenlos hinter ihm her. Er öffnet die Beifahrertür und bedeutet mir
einzusteigen.
»Heiraten wir etwa?« Ich kann mir ja viel vorstellen, aber nicht,
daß Moritz Lichtenberg und ich heiraten. Zumindest nicht einander. Mein
Bräutigam lächelt nachsichtig, nimmt mich in den Arm und gibt mir einen
zärtlichen Kuß.
»Schatz, du bist ja total durcheinander. Natürlich heiraten wir!
Heute ist der schönste Tag deines Lebens!« Den schönsten Tag meines Lebens habe
ich mir irgendwie anders vorgestellt. »Und jetzt steig ins Auto, damit wir
losfahren können.« Ängstlich gucke ich ins Wageninnere, ich will da nicht
einsteigen!
»Ich kann dich nicht heiraten«, krächze ich. Moritz lacht.
»Warum denn auf einmal nicht mehr?«
»Weil … weil … weil ich dich doch eigentlich gar nicht richtig
kenne, und weil wir nicht zueinander passen und weil ich doch … weil ich doch …«
»Was redest du denn da für einen Unsinn?« fragt Moritz und schiebt
mich mit sanftem Druck auf den Beifahrersitz. »So aufgeregt hab ich dich ja
noch nie erlebt!« Er schnallt mich an, wahrscheinlich, damit ich nicht abhauen
kann. »Ich glaube kaum, daß es ein zweites Paar gibt, das sich so gut kennt wie
wir«, fährt er fort. »Immerhin sind wir seit fast vierzehn Jahren zusammen.«
Moritz wirft schwungvoll meine Tür zu.
»Außerdem«, sagt er, als er sich auf seinen Sitz fallen läßt, sich
anschnallt und den Motor startet, »ist es ja sowieso schon zu spät.« Er
zwinkert mir lächelnd zu. »Du hast mich doch längst
geheiratet. Am Mittwoch auf dem Standesamt. Erinnerst du dich?« Er beugt sich
zu mir herüber, gibt mir einen langen, sanften Kuß und fährt mit quietschenden
Reifen los. Ich starre geistesabwesend auf den schmalen Goldreif an meinem
rechten Ringfinger.
6. Kapitel
Ich heirate also. Besser gesagt: Ich habe geheiratet.
Rechtlich gesehen zumindest. Jetzt fehlt nur noch das kirchliche Brimborium,
aber das ist ja mehr die Showeinlage für Schwiegermütter & Consorten. Was
für eine irrwitzige Situation: Ich sitze in einem silbernen Z3 neben meinem
Ehegatten.Tausend Fragen schießen mir durch den Kopf. Aber leider kann ich
keine davon stellen, ohne daß Moritz mich für komplett gestört hält. Wenn er das
nach meinem Auftritt eben nicht sowieso schon tut.
Er hat ja keine Ahnung, daß ich geradewegs aus einem anderen Leben
zu ihm geplumpst bin. Vielleicht sollte ich es ihm einfach erzählen? Wie würde
er wohl darauf reagieren? Hör mal zu, Moritz, die Sache ist
die: Ich war gestern bei New Life Personal Management, und da habe ich mein
komplettes Leben ändern lassen. Tja, und deswegen heiraten wir jetzt.
Tatsächlich hatten wir aber bis vor zehn Minuten so gut wie nichts miteinander
zu tun, und dich hat’s genaugenommen so, wie du jetzt neben mir sitzt, gar
nicht gegeben. Ich verwerfe die Idee. Habe den Eindruck, daß er mich
sonst schnurstracks irgendwo hinfahren würde, wo ich zwar auch was Weißes
tragen darf – was aber wesentlich unbequemer ist als ein Brautkleid.
Verdammt! Ich würde zu gern wissen, wie es dazu gekommen ist, daß
ich ausgerechnet mit Moritz Lichtenberg verheiratet bin. Das Eliminieren
unseres verunglückten ersten Mals hat offensichtlich ungeahnte Auswirkungen
gehabt. Wie ist es denn wohl statt dessen passiert? Ich finde schon, daß jede
Frau wissen sollte, wann, wo und vor allem von wem sie entjungfert worden ist.
Oder ist das altmodisch?
»Weißt du noch«, frage ich
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