Was - Waere - Wenn
Moritz, als wir an einer roten Ampel
halten, »wie wir das erste Mal miteinander geschlafen haben?« Er dreht den Kopf
zu mir und lächelt mich an.
»Sicher weiß ich das noch.« Die Ampel wird grün, Moritz gibt Gas und
hüllt sich ansonsten in Schweigen. Etwas gesprächiger könnte er schon sein.
»War das nicht unheimlich schön?« bleibe ich dran. Moritz nickt.
»Ja, das war es.« Na gut, hier komme ich nicht weiter. Mittlerweile
sind Moritz und ich ganz schön weit draußen, fahren bestimmt seit zehn Minuten
auf der Elbchaussee stadtauswärts. Aber die Frage, wohin wir wollen, verkneife
ich mir besser.
»Bist du dir eigentlich sicher, daß wir uns beim Familiennamen
richtig entschieden haben?« Wenn er mir schon unser erstes Mal vorenthält,
möchte ich wenigstens wissen, wie ich heiße, das ist doch wohl nicht zu viel
verlangt.
»Was meinst du damit?« Moritz runzelt die Stirn und wirft mir einen
verständnislosen Blick zu. »Es war doch von Anfang an klar, daß du Lichtenberg
heißt, das wolltest du doch so!«
»Natürlich«, versichere ich schnell. Charlotta Lichtenberg also.
Ach, wie schade, daß ich nicht miterlebt habe, was in diesem neuen Leben alles
passiert ist! Wie hat Moritz mir den Antrag gemacht? Ist er wie bei Isabell auf
die Knie gegangen? Hat er mir hundert rote Rosen geschenkt? Waren wir
romantisch essen mit Kerzen und schöner Musik (ich denke da zum Beispiel an
»Kiss from a rose« von Seal) – und dann fand ich in meiner Mousse au Chocolat
auf einmal diesen Ring? Oder habe ich Moritz gefragt?
War ich in den Wochen vor der Hochzeit aufgeregt? Habe ich nächtelang nicht
geschlafen? Heimlich schon vorher die neue Unterschrift geübt? Und vor allem:
War ich all die Jahre in Moritz ganz furchtbar verliebt? Was haben wir schon
miteinander erlebt? Haben wir uns schon viel gestritten? Oder war immer alles
ganz harmonisch zwischen uns? Lachen wir viel miteinander? Kuscheln wir gern?
Krault er mir vor dem Einschlafen den Rücken?
Lesen wir abends immer noch beide etwas, bevor wir das Licht
ausmachen? Ich weiß, klingt nicht so romantisch, aber das war für mich immer
der Inbegriff von Zweisamkeit, wenn jeder im Bett noch ein bißchen schmökert.
Und zwischendurch liest dann einer dem anderen eine Stelle vor, die ihm
besonders gut gefällt. Schön! Oder spielt ihm seine Lieblingslieder vor, das
könnte ich stundenlang machen! Ich würde so gern wissen, wie wir so sind als
Paar. Aber ich muß mich wohl in Geduld üben, bis ich es Stück für Stück selbst
herausfinde. Ein völlig neues Leben liegt vor mir. Ein bißchen Angst habe ich
davor, aber nur so ein kleines, unbestimmtes Kribbeln in der Magengegend, das
ich das letzte Mal mit sechzehn hatte.
Ich mustere Moritz verstohlen von der Seite. Er sieht immer noch
genau so aus wie vor drei Tagen – und doch ist er offensichtlich ein ganz
anderer Mensch. Jedenfalls bin ich nicht mehr die Charly, die ihn im Vollrausch
als Spießer und Arschloch beschimpft hat. Gedankenverloren spiele ich mit
meinem Ehering. Ehering. Was für ein Wort! Vor ein paar Stunden hätte sich
jeder Charly Maybach eher mit Intimpiercing als mit Ehering vorstellen können.
Ich ziehe ihn ab, um zu gucken, ob er eine Gravur hat. »Charlotta und Moritz«,
steht da, »7. Mai 2003.« 7. Mai? Das Datum sagt mir doch was!
»Wir haben am 7. Mai geheiratet?« frage ich laut, ohne daß ich in
diesem Moment wirklich eine Antwort erwarte.
»Ja«, sagt Moritz, »am Mittwoch.«
»War da nicht auch unser zehnjähriges Abitreffen?« Moritz nickt.
»Da sind wir aber nicht hingegangen.«
»Richtig«, stimme ich ihm zu. »Weil wir was viel Besseres zu tun
hatten. Oder nicht?« Moritz lacht.
»Ja sicher, die kleine Feier mit unseren Eltern war wichtiger«,
stellt er fest, nimmt meine Hand und drückt sie ganz fest. Mir wird sofort warm
ums Herz. Doch, ich bin mir sicher: Bestimmt lachen Moritz und ich sehr viel
miteinander. Mit einem tiefen, wohligen Seufzer lehne ich mich gegen seine
Schulter und versuche mir die gemeinsame Hochzeitsnacht auszumalen. Auch, wenn
ich sie nicht erlebt habe – sie war bestimmt wunderschön. Die zweite
Hochzeitsnacht steht mir noch bevor, die werde ich in vollen Zügen genießen.
Ich seufze noch einmal. Fühlt sich gut an, sich an Moritz zu kuscheln. Gut und
richtig. Als wäre es schon immer so gewesen. Danke, Elisa!
»Fast vierzehn Jahre«, sage ich geistesabwesend, weil ich einfach
mal hören will, wie es aus meinem Mund klingt. »So lange sind
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