Was - Waere - Wenn
Tim. Vorgestern habe ich
vielleicht etwas überreagiert, aber das lag an meiner Gesamtverfassung. Ich
schließe die Tür hinter mir und atme einmal tief durch. Home, sweet home!
Seit wann besitze ich ein riesengroßes, rotes Bett, über dem
diverse Lederpeitschen, ein Morgenstern und andere gefährlich anmutende
Werkzeuge hängen? Vor mir liegt eine wahre Sado-Maso-Höhle, überall stehen
Kerzen herum, links an der Wand neben dem Eingang prangt ein riesiges
Andreaskreuz aus Metall, an das man sich mit Handschellen anketten lassen kann.
Die Außenwände sind mit Isoliermaterial verkleidet, vermutlich wird es hier das
eine oder andere Mal etwas lauter. Ich würde mal sagen: Das ist nicht meine
Wohnung! Bin ganz offensichtlich im falschen Stockwerk. Kein Wunder, daß Björn
mich so schockiert angesehen hat, der hält mich jetzt für eine waschechte
Domina. Ich gehe wieder raus, schiebe aber vorsichtshalber die Fußmatte
zwischen Tür und Rahmen, damit ich zur Not zum Telefonieren noch einmal hier
rein kann.
Im Flur laufe ich eine Treppe abwärts, dann muß das der dritte Stock
sein. Ist er nicht, im Flur steht Frau Kaiser aus dem zweiten und nimmt gerade
ein Paket entgegen.
»Hallo, Frau Kaiser!« begrüße ich sie. Sie blickt nur kurz auf und
konzentriert sich dann wieder darauf, die Annahmebestätigung zu unterschreiben,
die der Zusteller ihr hinhält. Ich laufe hinunter bis zu den Briefkästen. Kommt
mir irgendwie sehr komisch vor. Das Namensschild an meinem Kasten ist leer. Was
soll das bedeuten? Langsam gehe ich die Treppe wieder hoch, zähle Stockwerk für
Stockwerk.
»Eins«, sage ich laut am ersten Treppenabsatz. Dann gehe ich weiter.
»Zwei.« Frau Kaiser und der Postbote werfen mir verwunderte Blicke
zu, aber ich muß mich jetzt konzentrieren, sonst komme ich raus.
»Drei.« Ich bin ganz eindeutig in der dritten Etage. Hier gibt es
nur zwei Türen. Hinter der einen wohnte bis gestern Julie, jetzt dieser Björn.
Und hinter der anderen, die nur angelehnt ist, müßte eigentlich meine Wohnung
liegen! Alles wird sich ändern. Mir fallen Elisas Worte wieder ein, und mir
wird heiß und kalt. Alles wird sich ändern. Alles? Oh mein Gott, ich bin eine
Domina!
Ich will wissen, was passiert ist! Entschlossen stoße ich die Tür
zum SM -Tempel auf, irgendwo hier werde ich
Antworten finden. Ich gebe mir die größte Mühe, die diversen Folterinstrumente,
die überall herumliegen, zu übersehen, während ich nach Anhaltspunkten suche.
In der hinteren Ecke des Wohnschlafzimmers steht ein Sekretär.
Vielleicht da? Hektisch reiße ich alle Schubladen auf, finde darin aber nur
Kondome, Gleitmittel, Klistiere … Klistiere, igitt! Ich kann mir überhaupt
nicht vorstellen, wie ich auf einen derartigen Abweg geraten konnte. Das kann doch nichts damit zu tun haben, daß ich ein paar
unnütze One-Night-Stands habe eliminieren lassen, oder?
»Bleib stehen, oder ich breche dir das Genick.« Die Stimme hinter
mir gehört eindeutig einer Frau. Ich bin wie versteinert, nehme automatisch
beide Hände nach oben. »Gut so. Jetzt dreh dich langsam um.« Schritt für
Schritt drehe ich mich nach links. Ich schließe die Augen, bin mir nicht so
sicher, ob ich wissen will, wer da hinter mir steht. Wenn ich sie gesehen habe,
werde ich bestimmt aus dem Weg geräumt. Kennt man ja aus Krimis, also schön die
Augen zu lassen.
»Wer bist du, was willst du hier?« Ich mache die Augen auf, will
doch sehen, wer mich gleich abknallt. Vor mir steht eine kleine, zierliche
Blondine. Etwa mein Alter, und sieht ganz normal aus, Jeans, Sweatshirt,
Turnschuhe, mehr als unauffällig. Erleichterung. Keine Knarre. Nur ein
Regenschirm. Ein Knirps, mit dem sie sich in eine Hand klopft, als wäre es ein
Schlagstock.
»Ich, äh …« Die junge Frau kneift die Augen zusammen und legt ihre
Stirn in Falten. »Sie kenne ich doch!« stellt sie dann erstaunt fest.
»Ja?« Das Erstaunen liegt ganz auf meiner Seite.
»Sie sind doch Frau Maybach, meine Vormieterin.« Vormieterin? Etwas
wie ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Aber nur kurz, dann guckt sie wieder
grimmig. »Wie kommen Sie hier rein? Ich hab damals ein neues Schloß einbauen
lassen.« Ich sehe mich um. Kann ich mir vorstellen.
»Das tut mir leid, ich kann das auch gar nicht so richtig erklären«,
stottere ich, »ich bin, ich dachte … ich wohne doch hier …« In diesem Moment
bricht mir der Schweiß aus, ich spüre, wie mir die Knie nachgeben, und gerate
ins Straucheln. »Sorry, ich
Weitere Kostenlose Bücher