Was - Waere - Wenn
eingezogen?« frage ich und lasse
dieses blöde Gesieze. Der Typ ist höchstens so alt wie ich. »Wohin ist Julie
denn?« Er zuckt mit den Schultern.
»Keine Ahnung.« Wieso hab ich nichts davon mitbekommen, daß Julie
auszieht? Irgendwelche Kartons im Flur, Handwerker, Möbelpacker, was man halt
so braucht, wenn man umzieht. »Ja, also …« Mein neuer Nachbar steht unschlüssig
im Flur.
»Oh, tut mir leid. Ich war nur gerade so verwirrt, weil Julie mir
gar nichts davon gesagt hat, daß sie auszieht. Ich bin ja immerhin ihre
Nachbarin.« Und war mal ihre beste Freundin, füge ich in Gedanken hinzu. Aber
es hat sich offensichtlich nichts geändert, denke ich traurig. Mal davon
abgesehen, daß Julie sich klammheimlich davongemacht hat. Wäre ja auch zu schön
gewesen. Wie habe ich denn nur glauben können, daß die Sache bei New Life
funktioniert?
»Ich würd dann jetzt mal reingehen«, meldet Björn sich wieder zu
Wort. »Oder kann ich dir noch irgendwie helfen?« Nervös tritt er von einem Bein
auf das andere.
»Genaugenommen ja. Dürfte ich mal auf deinen Balkon?«
»Was?«
»Von deinem Balkon aus könnte ich auf meinen, ich habe nämlich
meinen Wohnungsschlüssel verloren. Beziehungsweise vergessen, aber ich komme
vor Montag nicht an ihn ran.«
»Und deswegen willst du auf meinen Balkon?«
»Genau. Ich stelle das Fenster immer etwas auf Kipp, und mit ein
bißchen Fingerspitzengefühl kann man die Tür von innen öffnen.«
»Hm, also …« Er zögert. »Ich weiß nicht so recht, ich kenne dich ja
gar nicht.«
»Tja, leider kann ich mich im Moment auch nicht ausweisen«, meine
ich sarkastisch. »Seh ich etwa aus wie ein Schwerverbrecher?« Björn sieht mich
schweigend an und kaut auf seiner Unterlippe herum. Ich gucke an mir runter.
Hatte ganz vergessen, daß ich in einem riesigen, olivgrünen Overall stecke.
Wirklich nicht besonders vertrauenerweckend. »Paß auf«, sage ich versöhnlich.
»Ich mache dir einen Vorschlag: Du läßt mich auf deinen Balkon und kommst dann
einfach mit zu mir rüber. Da kann ich mich dann ausweisen, mit Mietvertrag und
allem Drum und Dran.« Er überlegt noch einen Moment.
»In Ordnung.« Er schließt auf und bedeutet mir, vor ihm reinzugehen.
Björn ist – wie zu erwarten – noch überhaupt nicht eingerichtet.
Überall stehen Kartons herum, dazwischen verschiedene Farbtöpfe, offensichtlich
ist er noch am Renovieren.
Draußen klettere ich aufs Geländer und halte mich am Sichtschutz
zwischen meinem und Julies Balkon fest. Björns Balkon.
»Mensch, paß bloß auf«, meint Björn ängstlich.
»Ich habe das schon hundertmal gemacht«, erwidere ich lapidar. Und
rutsche in diesem Moment ab. Aber Björn packt mich am Handgelenk und zieht mich
zurück hinter die Balustrade. Japsend lasse ich mich gegen ihn sinken. Mein
Herz hat für einen Moment ausgesetzt, ein echtes Nahtoderlebnis. Wie mein
Retter mich da so mit festem Griff gepackt hat und ich sein leichtes
After-Shave schnuppern kann, schnellt er auf der Sexy-Skala prompt tausend Punkte
in die Höhe.
»Laß mich das mal machen«, sagt er. »Du kannst ja raus in den Flur
gehen, ich mach dir dann von innen auf.« Ich weiß nicht, ob er das anbietet,
weil er mir imponieren will oder weil er insgeheim doch befürchtet, ich könnte
es auf die Kronjuwelen abgesehen haben, die in seiner Wohnung liegen – ich bin
einfach nur froh. Für akrobatische Höchstleistungen bin ich nach den letzten
achtundvierzig Stunden einfach zu fertig, mein Akku ist leer. Also schlappe ich
nach draußen und warte geduldig darauf, daß Björn mich in mein Heim läßt.
Ich höre ihn auf dem Geländer herumturnen, dann erklingt das
vertraute Klicken der Scharniere an der Balkontür. »Oh!« ruft er erstaunt aus.
Habe ich meine Bude gestern in einem einigermaßen respektablen Zustand verlassen?
Ich glaube schon, am Tag zuvor hatte ich ja noch die große Wasch- und
Putzaktion. Dreißig Sekunden später wird die Tür von innen geöffnet. Björn
steht vor mir und sieht aus, als wäre ihm eben Godzilla begegnet.
»Ja, also dann …« Mit rasanten Schritten ist er an mir vorbei,
stürzt in seine Wohnung und knallt die Tür hinter sich zu. Dieser komische
Vogel scheint wirklich einige Probleme zu haben. Schade, schade, dabei sieht er
wirklich nicht schlecht aus.
Ich bin froh, endlich wieder zu Hause zu sein und mich hinlegen zu
können. Jetzt werde ich erst einmal ein paar Stunden schlafen, und später fahre
ich ins Drinks & More und rede in Ruhe mit
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