Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was - Waere - Wenn

Was - Waere - Wenn

Titel: Was - Waere - Wenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
Vom Netzwerk:
suchen. Und habe ich eigentlich keinen Schleier? Noch mal
zurück zum Kleiderschrank, irgendwo muß einer sein. Zuerst aber finde ich die
Schuhe, sie stehen direkt hinter der Tür. Weiße, stoffbezogene Pumps mit
kleinen Schleifchen vorne drauf. Schleifchen. Nö, das muß nicht sein. Ratsch.
Keine Schleifchen mehr. Aber wo ist denn nun das Schleierchen? Ich ziehe alle
Schubladen auf, sehe im großen Lamellenschrank nach, gucke sogar zwischen
Moritz Hemden. Nirgends ein Schleier.
    »Charlotta! Die Trauung beginnt in zwanzig Minuten!« Vergessen wir
den Schleier, ich stürme zur Schlafzimmertür. Als ich schon fast draußen bin,
fällt mir noch etwas ein: Die Visitenkarte von New Life, die steckt ja noch in
meinem Overall! Nicht, daß die aus Versehen in der Wäsche landet und sich beim
Schleudergang in Wohlgefallen auflöst. Also düse ich zurück, reiße den Anzug
wieder aus dem Wäschekorb und durchsuche die Taschen nach dieser verdammten
Visitenkarte. Vorhin war sie doch noch da, aber ich finde sie einfach nicht.
    »Charly!« Aha, Charly ist also die böse Charlotta. »Wenn du nicht
sofort kommst, heirate ich eine andere!«
    »Geht doch gar nicht, du hast mich doch schon geheiratet!« brülle
ich zurück und verfange mich vor lauter Hektik mit einer Hand so in einer
kleinen Tasche, daß ich sie nicht mehr herausbekomme. Ich hasse es, wenn man
mich beim Fertigmachen hetzt. Kann doch ich nichts dafür, daß wir spät dran
sind, bis eben habe ich ja noch nicht einmal was von diesem Termin gewußt! Da
ist sie, die Karte! Ich zerre sie aus der Tasche, stopfe den Overall zurück in
den Wäschekorb und laufe wieder raus. Im Schlafzimmer bleibe ich unschlüssig
stehen. Und wohin jetzt damit? Mein Brautkleid hat blöderweise keine Taschen,
sehr unpraktisch. Wo soll man denn die zahllosen Telefonnummern, die man in so
einem Outfit mit Sicherheit zugesteckt bekommt, hintun? Ich muß die
Visitenkarte loswerden. Mein Blick fällt auf das Bett mit den beiden
Nachttischen. Welches wohl meine Seite ist?
    »Ich lasse mich scheiden!« brüllt Moritz von unten. Ich stürze zur
linken Seite des Bettes und ziehe die Schublade des Nachttischs auf. Das ist
wohl meine Seite, es sei denn, Moritz schluckt Marvelon. Dabei fällt mir ein,
daß ich bisher auch nie die Pille genommen habe. Ich halte es lieber mit
Verhüterlis, bietet sich bei meinem Lebenswandel einfach an. Aber das ist ja
nun vorbei, denke ich, und nehme die Tablettenschachtel aus der Schublade.
Hupsa, die Pille von Samstag ist noch drin, die sollte ich vielleicht schnell
noch einwerfen, sonst gibt’s am Ende sofort Nachwuchs! Ich drücke die Tablette
in meine Hand, werfe Packung und die Visitenkarte wieder zurück in die
Schublade und laufe schnell die Treppe zu Moritz hinunter.
    »Na, endlich!« motzt mein Liebster, als ich unten angekommen bin,
packt mich bei der Hand und zerrt mich aus dem Haus.
    »He«, protestiere ich und bleibe stehen. »Du hast nicht mal was zu
meinem Kleid gesagt.«
    »Du siehst toll aus«, sagt Moritz und würdigt mich keines Blickes.
Er wirft mich ins Auto, zwei Sekunden später rasen wir Richtung göttlicher
Segen.
    Im Mendelssohn-Bartholdy-Schritt durch die Kirche. Mein Vater
geht zu meiner Rechten, hält meinen Arm und strahlt von einem Ohr zum anderen.
Vorn am Altar steht Moritz und wartet auf mich, wir machen’s auf amerikanisch.
Ich gehe jedenfalls davon aus, daß es Moritz ist. So ganz genau kann ich das
nicht erkennen, ein Filter aus Tränen und Schleier schränkt meine Sicht etwas
ein. Ach ja, ich trage einen Schleier. Natürlich wartete in der Abtei der
Kirche bereits eine Stylistin auf mich, die mein Haar innerhalb von fünf
Minuten kunstvoll mit kleinen, gelben Teerosen und Tüll verklöppelt hat. Dazu
drei Flaschen Haarspray, wahrscheinlich wird sie mir die Frisur nach dieser
Veranstaltung vom Kopf scheren müssen.
    Jetzt gehe ich also durch den Mittelgang, rechts und links von mir
erklingen erstaunte »Ahs« und »Ohs« und: »Sieht sie nicht wunderschön aus?«
Noch nie habe ich es so sehr genossen, im Mittelpunkt zu stehen. Das letzte
Mal, als mir solch ungeteilte Aufmerksamkeit entgegen gebracht wurde, stand ich
taumelnd in der Mood Lounge und brüllte Fäkalausdrücke in ein Mikrophon. So
etwas wird nicht wieder vorkommen. Das schwöre ich mir, während ich weiter
voranschreite. Von nun an werde ich auf mich aufpassen, werde dafür sorgen, daß
meine Weste so weiß bleibt, wie mein Kleid ist. Einen leichten

Weitere Kostenlose Bücher