Was - Waere - Wenn
ausgerechnet hier die letzte öffentliche Telefonzelle
der Welt steht, die auch noch Geld statt Karten nimmt. Ein weiteres Glück: Die
Rufnummer der Auskunft stimmt noch, hätte ja sein können, daß die sich auch
geändert hat. Aber dann reißt meine Glücksträhne ab. Es sind keine Lichtenbergs
in Blankenese registriert. Wovor haben wir eigentlich Angst? Erpresser? Oder
schulden wir irgendwem Geld? Was auch immer der Grund dafür ist, daß wir so
tun, als wären wir im Kronzeugenschutzprogramm – ich habe keine Ahnung, was ich
machen soll!
Tim. Die rettende Idee. Bei dem wollte ich mich doch so schnell wie
möglich melden. Und was wäre schneller, als jetzt hinzufahren? Ich könnte mich
gemütlich ins Drinks & More setzen, mit Tim und Georg schnacken und ihnen
die jüngsten Ereignisse erzählen. Moritz würde ich anrufen (seine Firma wird ja
wohl kein Geheimunternehmen und somit bei der Auskunft verzeichnet sein) und
sagen, daß ich noch einen Abstecher gemacht habe und er mich später einsammeln
soll. Perfekt!
»Wir fahren nach Ottensen«, erkläre ich dem Taxifahrer und nenne ihm
die Adresse.
»Was immer Sie wollen.« Klack, das Taxameter macht die neunzig Euro
voll.
Auf dem Weg ins Drinks & More überlege ich, wie meine Beziehung
und Heirat mit Moritz sich wohl auf die Freundschaft zu Tim ausgewirkt hat.
Immerhin ist er nicht bei der Hochzeit erschienen. Obwohl ich ihn ganz bestimmt
eingeladen habe, da bin ich mir sicher. Oder haben wir uns vorher gestritten?
Weil er Moritz nicht mag? Oder … Mein Kopf fängt schon wieder an zu schwirren,
und ich beschließe, mit dem Gedankenkarussell aufzuhören. Bringt ja alles
nichts. Ich werde es sehen.
Eine halbe Stunde später sehe ich nichts. Jedenfalls kein Drinks
& More. Als ich mit dem Taxi um die Ecke biege, entdecke ich lediglich
einen Copy-Shop. Verwirrt drehe ich mich nach dem Straßenschild um, aber die
Adresse ist die richtige. Ich stehe vorm Drinks & More, da gibt es gar
keinen Zweifel.
»Was ist nun?« will der Taxifahrer wissen. Ich zucke mit den
Schultern. Weiß ich auch nicht.
»Warten Sie bitte noch mal«, sage ich.
»Klar, Gnädigste«, antwortet der Fahrer. Ich steige aus und gehe auf
den Eingang des Copy-Shops zu. Eine helle Türglocke erklingt, als ich eintrete.
Nichts hier erinnert mehr an das Drinks & More. Bis auf den alten
Flash-Gordon-Flipper, der noch in einer Ecke steht. Ich gehe darauf zu und
streiche nachdenklich über die Glasplatte. Was ist hier nur los?
Aus dem Hinterzimmer, wo früher die Küche war, höre ich ein
Geräusch. Dann schiebt eine große Männerhand den flatternden Plastikvorhang zur
Seite. Zum Vorschein kommt ein ungepflegter Mann von Mitte Vierzig in fleckiger
Bundfaltenhose und einem zerknitterten Karohemd. So ein Typ hätte früher nur
eine Sekunde im Drinks & More stehen müssen, und das Veterinäramt hätte uns
sofort wegen Hygienemängel den Laden dichtgemacht. Ich betrachte ihn mit
gerümpfter Nase. Stinken tut er auch noch.
»Kann ich was für Sie tun?« Mit einer entschuldigenden Geste trete
ich ein Stückchen vom Flipperautomaten zurück.
»Ja, ich, äh …« Wie formuliere ich das jetzt am einfachsten? »Ich
suche eigentlich die Kneipe, die hier früher war.«
»Das Drinks & More?« Meine Laune hellt sich auf, er kennt es
tatsächlich.
»Genau!«
»Ist hier schon seit drei Jahren nicht mehr.«
»Seit drei Jahren?« Das kann doch nicht sein, bis vor einer Woche
habe ich doch noch hier gearbeitet. Was wäre, wenn. Langsam, aber sicher
dämmert mir das Ausmaß meines Besuches bei New Life. Das hätte Elisa mir doch
sagen müssen!
Verdammt. Das hat sie. Genau das hat sie getan. Nur hat Charly nicht
richtig zugehört.
»Stimmt genau. Ich hab’s dem Vorbesitzer abgekauft, der hatte keinen
Bock mehr. Und ich hab dann den Laden hier aufgemacht, mit Gastronomie hat man
eh nur Ärger.« Er spuckt fast verächtlich auf den Boden vor sich. Wie eklig!
Aber noch viel schlimmer finde ich etwas anderes: keinen Bock mehr? Das kann
unmöglich Tim gewesen sein, der hat das Drinks & More geliebt, für den war
das die Erfüllung seiner Träume. Irgend etwas muß passiert sein. Aber was?
»Wem gehörte der Laden denn, als Sie ihn gekauft haben?« Der Mann
denkt nach.
»Tim Kramer hieß der«, antwortet er. Tim. Also doch. Er hat den
Laden verkauft und zugelassen, daß ein ekliger Sack einen Copy-Shop draus
macht. Warum denn nur? Und wo war ich? Haben wir uns im Streit getrennt? Ist er
deshalb nicht zu meiner
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