Was - Waere - Wenn
meinem Schöpfer
gegenübertrete.
Wir begegnen unserem Schöpfer noch nicht. Aber dafür hat der
Taxifahrer, der uns eine halbe Stunde später in Empfang nimmt, einen Rosenkranz
um seinen Rückspiegel gewickelt und erinnert rein optisch mit Rauschebart und
Ledersandalen schon irgendwie an Jesus. Mit verächtlichem Blick hat er unsere
weltlichen Konsumgüter in den Kofferraum befördert und sich dann wieder auf
seine Sitzauflage aus lackierten Holzkugeln geschwungen. Dann schiebt er eine
alte Kassette in den Recorder und läßt Cat Stevens ein Mädchen über die »Wild
World« aufklären. Moritz und ich gucken uns an, beide sichtlich darum bemüht,
nicht loszukichern. Ich registriere, daß wir uns soeben das erste Mal wortlos
verstanden haben. Nicht schlecht für eine Beziehung, die erst seit vier Tagen
besteht.
»Wir fahren nach Blankenese«, sagt Moritz dem Fahrer. Der kann sich
im ersten Moment seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen nicht so richtig
entscheiden, ob er jetzt abfällig gucken soll von wegen »Establishment« oder ob
die Freude über die lange Tour überwiegt. Der Mann hat Prinzipien, es siegt ein
abfälliges Stirnrunzeln. »Auf dem Weg setzen Sie mich bitte an der Alster ab«,
fügt Moritz hinzu.
»Wieso das denn?« Was will er denn bei dem Scheißwetter an der Alster?
»Ich muß noch für zwei, drei Stunden ins Büro«, erklärt er mir. Aha,
sein Büro liegt also an der Alster. Detail gespeichert.
»Muß das denn sein?« Will nicht bei Regen allein in Blankenese
hocken, sondern lieber mit meinem Neugatten auf dem Sofa kuscheln.
»Ja.« Eine Antwort, simpel, aber eindeutig. »Ist ja nicht lange,
spätestens um acht bin ich wieder zu Hause.« Ich sehe auf meine Uhr. Viertel
vor drei. Mein Mann hat eine komische Definition von zwei, drei Stunden.
Andererseits habe ich dann wirklich mal Gelegenheit, mich in Ruhe in meinem
neuen Heim umzusehen. Kann ja nicht schaden, wenn ich auf dem Weg ins Gästebad
nicht aus Versehen in der Besenkammer lande.
Vor einem schicken Glaskomplex in Harvestehude springt Moritz aus
dem Taxi und drückt mir einen Fünfhundert-Euro-Schein in die Hand. Denke, das
wird reichen.
»Bis heute abend!« Ein Küßchen, dann ist er auch schon im Gebäude
verschwunden.
»Und wohin geht’s jetzt weiter?« will der Taxifahrer wissen.
»Nach Blankenese, das hat mein Mann Ihnen ja schon gesagt«, murmele
ich. Wow, Charly, Extrem-auf-Dienstleister-Herabblicking, die neue
Trend-Sportart aus den USA .
»Ich hab’s nicht an den Ohren, Verehrteste. Aber ich hätte schon
gern eine genaue Adresse, das macht vieles leichter.« Stimmt. Wenn ich bloß die
Adresse wüßte …! Bei unserer kurzen Stippvisite vor der Trauung habe ich leider
weder auf das Straßenschild noch auf die Hausnummer geachtet. Aber Blankenese
ist ja so klein, das kann nicht schwierig sein. Das Haus erkenne ich bestimmt
wieder, wenn ich es sehe.
»Ist ja nicht meine Kohle.« Seit einer Dreiviertelstunde gurken
wir orientierungslos durch die Gegend, das Taxameter zeigt stolze
dreiundachtzig Euro. Ich kann kaum glauben, daß es so schwierig ist, dieses
blöde Haus wiederzufinden! Es lag direkt am Strand, das weiß ich genau. Aber
irgendwie gibt es hier eine ganze Menge Rotklinkerbauten am Strand. Was soll
ich machen? Aussteigen und mit einer Wagenladung Louis-Vuitton durch die Gegend
stolpern? Moritz anrufen (mal ganz davon abgesehen, daß ich gar kein Handy
dabeihabe) und ihn fragen: Du, Schatz, wie war noch gleich unsere Adresse?
»Ist es beim Leuchtturm?« will der Taxifahrer wissen.
»Leuchtturm?« Hab keinen Leuchtturm gesehen. Der Taxifahrer zeigt
nach vorn, groß und gewaltig und ziemlich unübersehbar steht er direkt vor uns.
Da müßte ich ja völlig von der Rolle gewesen sein, wenn mir der nicht
aufgefallen wäre. »Ich kann mich nicht erinnern«, gebe ich zu.
»Dann müssen Sie halt mal auf die Klingelschilder gucken.« Im
Stop-and-Go-Verfahren holpern wir die Straße entlang, immer wieder springe ich
aus dem Wagen und laufe zu einem Rotklinkerbau nach dem nächsten. Die meisten
haben keine Namensschilder, also probiere ich den Schlüssel, den ich in meiner
Tasche gefunden habe, an jeder Tür aus. Nachdem mich der fünfte aufgebrachte
Blankeneser angeranzt hat (»Was machen Sie denn da?«), gebe ich auf. So wird
das nix.
Als wir an einer Telefonzelle vorbeifahren, habe ich eine Idee.
Schnell springe ich aus dem Wagen, laufe zu der Zelle und reiße den Hörer an mich.
Was für ein Glück, daß
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