Was - Waere - Wenn
meinem neuen Leben.
Ich höre das Geräusch von heraneilenden Schritten und drehe mich um.
Mit wutverzerrtem Gesicht kommt Moritz durch den Flur auf mich zugestürzt. Er
trägt jetzt einen Anzug, den hatte er wohl im Büro hängen.
»Bist du noch zu retten?« fährt er mich an, sobald er die Glastür
hinter sich zugeschmissen hat. »Ich bin gerade in Verhandlungen über einen
Millionenauftrag, und du läßt mich da einfach rausholen?«
»Tut mir leid«, meine ich eingeschüchtert, »aber es ging nicht
anders.«
»Was ist denn?« Wie er da so schnaubend vor mir steht, traue ich
mich gar nicht mehr, auch nur irgend etwas zu sagen. So, wie der aussieht, muß
ich ihm jetzt wenigstens gestehen, daß ich
a) schwanger oder
b) unheilbar krank bin.
Einen anderen Grund für die Störung läßt er vermutlich nicht zu und
vierteilt mich dann.
»Du hast noch meinen Personalausweis«, bringe ich kaum hörbar
hervor. Meine einzige Chance, unauffällig an meine Adresse zu kommen.
»Bitte, was?« Moritz steht kurz davor, total auszuflippen, ich kann
schon das Weiße in seinen Augen sehen.
»Ich brauche meinen Personalausweis«, wiederhole ich noch einmal mit
dem Mut der Verzweifelten.
»Deinen Personalausweis also«, sagt Moritz und ist auf einmal
beängstigend ruhig. »Du kommst hierher, holst mich aus den wichtigsten
Verhandlungen in der Geschichte dieser Firma – weil du
deinen Personalausweis brauchst ?« Die letzten Worte hat er so laut
geschrien, daß die Sekretärinnen draußen im Großraumbüro erschrocken zu uns
hereinsehen. Wie peinlich.
»Ja, ich, äh, wollte mir auf dem Heimweg noch einen Videofilm …«,
mache ich den Versuch, das irgendwie zu erklären. Doch da hat Moritz schon sein
Portemonnaie aus seiner Anzugjacke geholt, meinen Perso rausgezogen und auf
seinen Schreibtisch gedonnert. Ich zucke zusammen, rechne damit, daß die
Glasplatte zerspringt. Tut sie nicht, echte Qualität. In diesem Moment entdeckt
Moritz mein Foto auf seinem Tisch und nimmt es in die Hand. Zynisch lächelnd
betrachtet er es.
»Was für eine nette Idee«, zischt er dann und stellt es mit einem
lauten Knall wieder zurück. »Moderne Form der Fußfessel, was?«
»Sei nicht so gemein!« Mir wäre danach, mit dem Fuß aufzustampfen.
Aber ich lasse es. Von draußen sehen noch immer alle irritiert zu uns herein.
Was für ein Schauspiel! »Ich wollte dir nur eine Freude machen«, stelle ich
bockig fest. Nicht ohne Erfolg, Moritz verwandelt sich vom rasenden Berserker
wieder in einen normalen Menschen.
»Tut mir leid, daß ich so ausgerastet bin«, sagt er. »Aber ich stehe
unter enormem Druck und verstehe einfach nicht, was in letzter Zeit mit dir los
ist.«
»Ich weiß es auch nicht«, stelle ich fest, »bin vielleicht etwas
überfordert.« Moritz nickt zustimmend,
»Am besten, du fährst jetzt nach Hause und ruhst dich aus. Ich komme
so schnell wie möglich nach.«
Wir gehen zusammen Richtung Tür. »Ach, Schatz«, fällt mir dann noch
ein, bevor wir hinausgehen. »Ich hab die Kombination vom Safe vergessen, wollte
aber meine Sachen rausholen.« Sofort tritt wieder ein Schatten auf sein
Gesicht, zwischen seinen Augenbrauen bildet sich eine Zornesfalte.
»Charlotta, die Kombination ist dein Geburtstag!« Oh. An den kann
ich mich in der Tat erinnern. Es sei denn, der hat sich auch verändert. Das
halte ich allerdings für eher unwahrscheinlich.
Personalbeausweist, wie ich jetzt bin, setzt der Taxifahrer mich
bei hundertdreiundneunzig Euro zu Hause ab. Mittlerweile sind wir dicke
Kumpels. Ich runde auf satte zweihundert auf, und weil er nur
zweihundertfünfzig Euro zum Wechseln hat, schenke ich ihm die restlichen
fünfzig Euro. Was soll’s? Ich schließe die Haustür auf und lasse mich
erleichtert mit meinem Gepäck in den Flur plumpsen. Endlich.
Zuerst einmal bringe ich die Koffer in unser Schlafzimmer, dann
begebe ich mich auf die Suche nach der Stereoanlage. Ich brauche Musik! Im
oberen Stockwerk finde ich gar nichts, aber unten im Wohnzimmer steht eine
Anlage von Bang & Olufsen. Besser gesagt, sie hängt, und zwar an der Wand
neben dem Breitbildfernseher. Fasziniert halte ich ein paarmal meine Hand davor
und beobachte, wie die beiden Glastüren des CD -Players
sich automatisch zur Seite schieben. Wunder der Technik!
Ich nehme das CD -Regal neben der Anlage
unter die Lupe, um mir was Schönes auszusuchen. Mit geübtem Scannerblick lasse
ich meine Augen über die Rücken der CD s gleiten.
Reihe um Reihe suche ich ab, aber
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