Was - Waere - Wenn
Hochzeit gekommen? Hat er gar nichts davon gewußt, weil
wir schon längst keinen Kontakt mehr zueinander haben? Schlimmer als schlechte
Erinnerungen sind keine Erinnerungen.
»Wo ist er denn jetzt hin, der Herr Kramer?«
»Sehe ich aus wie die Auskunft?« Er wirft mir einen herausfordernden
Blick zu. Ich verlasse den Laden, bevor ich versucht bin, ihm zu sagen, wie er meiner Meinung nach aussieht. Lohnt ja nicht, sich
mit ihm anzulegen.
Als ich wieder im Taxi sitze, bin ich komplett ratlos. Mein Leben
kommt mir vor wie ein Adventurespiel, zu dem ich nur leider die Regeln nicht
kenne. Charly Croft, auf der Suche nach sich selbst. Oder zumindest nach ihrer
Adresse. Ich weise den Fahrer an, zurück zu Moritz’ Firma an der Alster zu
fahren. Was bleibt mir auch anderes übrig?
»Warten Sie bitte noch einmal«, sage ich, bevor ich aussteige. Und
als hätten wir den Murmeltiertag, antwortet der Taxifahrer: »Klar, Gnädigste.«
Das Taxameter zeigt mittlerweile einhundertsechsunddreißig Euro an, ich spüre
den Hauch eines schlechten Gewissens. Unsinn, Charly, beruhige ich mich. Moritz
wird das gar nicht auffallen, und außerdem bist du hier das Opfer.
Das Opfer fährt mit dem Fahrstuhl in den sechzehnten Stock, in dem
sich laut Pförtner unten in der Halle Herr Lichtenberg befinden soll. Er hat
mich angekündigt, und oben an der Fahrstuhltür werde ich von einer freundlichen
Sekretärin noch viel freundlicher begrüßt.
»Frau Lichtenberg!« ruft sie aus, als wäre ich mindestens eins der
sieben Weltwunder. »Wie schön, daß Sie uns besuchen kommen! Und noch einmal
meinen herzlichsten Glückwunsch zu Ihrer Vermählung!«
»Oh, danke«, erwidere ich und verzichte auf eine Anrede, da die
nette Dame leider kein Namenschild trägt. War damals auf dem Klassentreffen
eine ganz praktische Idee von Heike, würde mir jetzt wirklich weiterhelfen.
Die Sekretärin führt mich am Empfang vorbei in ein Büro, von dem ich
annehme, daß es Moritz gehört. Sehr nobel alles, modernste Möbel aus Chrom,
eine Besprechungsecke mit einer edlen Ledergarnitur und einem riesigen
Glastisch. Die breite Fensterfront gibt den Blick über Hamburg frei, über die
Alster hinweg kann ich bis nach St. Georg blicken. Und dann entdecke ich etwas,
das mich ganz besonders freut: Auf seinem Schreibtisch steht ein Foto von mir.
Ich stehe gerahmt bei meinem Mann im Büro! Das ist wie … wie etwas, wovon man – oder in diesem Fall ich – nie geglaubt hat, daß es mal passieren wird.
Begeistert nehme ich das Foto in die Hand und betrachte es.
»Ich glaube, er hat es noch gar nicht gesehen«, sagt die Sekretärin.
»Was gesehen?«
»Das Foto. Sie hatten es mir doch zugeschickt mit der Bitte, es
während Ihrer Hochzeitsreise zu rahmen und Ihrem Mann auf den Tisch zu
stellen.«
»Oh.« Ich stelle das Bild zurück.
»Er ist vorhin gleich in den großen Konferenzraum gegangen und hat
es deswegen wohl noch gar nicht gesehen.« Sie sagt das so entschuldigend, als
hätte sie es zu verantworten, daß mein Mann das Foto auf seinem Schreibtisch
noch nicht entdeckt hat.
»Schon gut«, erwidere ich nur und gebe mir Mühe, mir meine
Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Meine eigene Idee war das also. »Kann
ich dann bitte einmal kurz mit meinem Mann sprechen?« Jetzt guckt die
freundliche Sekretärin noch trauriger.
»Das tut mir leid«, stellt sie fest, »aber das geht nicht. Die
Besprechung, die Ihr Mann hat, geht bis heute abend.« Sie zuckt bedauernd mit
den Schultern. »Kann ich Ihnen vielleicht …?«
»Nein, können Sie nicht«, entfährt es mir herrischer, als ich
wollte. Liegt wohl an der Gesamtsituation, die mich etwas überfordert. »Ich muß
wirklich mit meinem Mann reden!«
»Aber ich kann ihn doch nicht einfach da rausholen.«
»Doch, das können Sie. Ich übernehme die Verantwortung dafür.« Die
Sekretärin zögert noch einen Moment, ich sehe sie fest und entschlossen an.
»Gut«, sagt sie dann und geht langsam aus dem Büro, »warten Sie
einen Moment.«
Nachdem sie weg ist, stelle ich mich an die Fensterfront und sehe
hinaus. Wie eine Spielzeugstadt liegt Hamburg mir zu Füßen. Mittlerweile hat es
aufgehört zu regnen, die Wolken sind aufgerissen, und die Sonne taucht alles in
ein helles, strahlendes Licht. Auf der Alster sind vereinzelte Segelboote zu
sehen, Jogger laufen durch die grüne Parkanlage am Ufer, am Horizont hat sich
ein Regenbogen gebildet. Ich seufze. Das sieht alles so ruhig und friedlich
aus. Das Gegenteil von
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