Was - Waere - Wenn
anderen steht ein
silberschwarzer Mini-Cooper! Unglaublich, aber wahr: Wenn ich denn einen Führerschein gehabt hätte und wenn ich
jemals auch nur ansatzweise so viel Geld besessen hätte, daß ich die linke
Radkappe hätte anzahlen können – dann hätte ich mir genau so einen gekauft! Ich
betrachte das Schlüsselbund in meiner Hand. Tatsächlich baumelt daran ein
Autoschlüssel, der mir vorher in der Hektik noch nicht aufgefallen war.
Ich fasse also zusammen: Ich besitze einen Führerschein und ein
Auto, dazu mehrere wahrscheinlich gültige Kreditkarten. Mein Blick fällt auf
meine Armbanduhr. Und noch zwei Stunden bis Geschäftsschluß. Bin ich bescheuert, oder was? Ab in die
Innenstadt!
9. Kapitel
Don’t be
fooled by the rocks that I got
I’m still, I’m still Charly from the block,
Used to have a little, now I have a lot,
No matter where I am, I know where I came from!
Charly from the block
Das erste, was ich mir dank meiner praktischen Kreditkarten
zugelegt habe, sind ein neuer Discman und eine Grundversorgung an CD s. Ich bin wieder ein vollwertiger Mensch und spaziere
zufrieden über die Mönckebergstraße. Dabei singe ich gemeinsam mit Jennifer
Lopez von meiner harten Kindheit und Jugend in den Slums und halte gleichzeitig
Ausschau nach dem nächsten Laden, den ich mit meinem Plastikgeld beglücken
könnte. Laßt die Kassen klappern, »Ka-Ching«, Shania Twain. Wenn die Chefin von
New Life Personal Management mich jetzt so sehen könnte – die würde glatt vom
Stuhl plumpsen. Ich als wohlsituierte Ehefrau, und das, wo ich doch nur »ganz
passabel« aussehe. Da habe ich wohl gerade noch mal die Kurve gekriegt. Mein
Blick fällt auf eine teure Boutique, vor deren Schaufenster ich schon oft
gestanden habe. Reingetraut habe ich mich noch nie, die hätten mich
wahrscheinlich wie Julia-Pretty-Woman-Roberts wieder auf die Straße befördert.
Ich überlege nur wenige Sekunden – dann marschiere ich geradewegs darauf zu.
Um halb neun komme ich erschöpft, aber glücklich mit meinem Mini auf
unsere Einfahrt gestottert, lauthals »Diamonds are a girl’s best friend«
singend. Mit einem Satz stehe ich auf dem Lichtenbergschen Anwesen. So ganz habe
ich das mit der Schaltung noch nicht raus, meine letzte Fahrstunde ist ja auch
eine Weile her! Wenigstens habe ich keinen Unfall gebaut, und mehr kann man für
einmal City und zurück ohne Führerschein in einem fremden Auto doch nicht
erwarten.
Was für ein schöner Abend! Erst ausgiebiges Shoppen, und zum
krönenden Abschluß war ich dann noch auf einen Kaffee in der Locomoco-Bar. Da,
wo die alte Charly Hausverbot hatte. Der Kerl, der mich damals rausgeworfen
hat, konnte sich überhaupt nicht an mich erinnern, sondern servierte mir, ohne
mit der Wimper zu zucken, mein Getränk. Ich mußte mich schwer zusammenreißen,
ihn nicht allzu breit anzugrinsen. Hab ihn noch genau vor Augen, wie er mir
damals ein »Und laß dich hier nie wieder blicken!« hinterherschrie. Man trifft
sich eben immer zweimal im Leben … In der Boutique bin ich allerdings
offensichtlich schon häufiger gewesen. Jedenfalls hat man mich da sofort
strahlend begrüßt und mir ein Glas Champagner in die Hand gedrückt. Ja, so
gefällt mir das!
Mit zwanzig verschiedenen Tüten und Taschen quetsche ich mich durch
die Haustür, schleppe den ganzen Krempel nach oben ins Schlafzimmer und mache
in meinem Schrank erst einmal Platz für die neuen Sachen. Zwei Jeans, drei
Hemden, ein paar schöne Stiefel. Das hellgrüne Kleid im Schaufenster, in das
ich mich spontan verliebt hatte, habe ich schweren Herzens hängenlassen. Ich
finde es dekadent, mehr Geld für ein Kleid auszugeben, als ein
Vier-Personen-Haushalt im Monat braucht. Danach gehe ich ins Wohnzimmer, um
dort die CD s ins Regal zu räumen. »Californication«
von den Red Hot Chili Peppers, eines der besten Alben überhaupt, lege ich
gleich ein. Dann in die Küche, die beiden Sixpacks in den Kühlschrank stellen.
Ob Moritz wohl bald nach Hause kommt? Ich könnte uns was Schönes
kochen. Fischstäbchen zum Beispiel. Ich reiße alle Schubladen des
Gefrierschranks auf. Keine Fischstäbchen also. Auch keine Pizza. Ich finde eine
Packung Froschschenkel. Hm. Ich glaube – nein. Chinamann anrufen? Ja. Aber
wann? Und was? Ich hole mir das Telefon von der Station im Flur, suche aus
meinem Adreßbuch Moritz’ Handynummer raus und rufe ihn an. Er hat sein Telefon
ausgestellt, nur die Mailbox meldet sich. Ich hinterlasse ihm, daß er mich so
schnell
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