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Was wir erben (German Edition)

Was wir erben (German Edition)

Titel: Was wir erben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BjÖrn Bicker
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Als man ihr allerdings zu verstehen gegeben habe, dass ihre Bekanntschaft mit diesem Militär durchaus ihrem Vorteil dienen könne, da habe sie Lunte gerochen. Hofffmann fing an, sich andauernd zu schütteln bei der Wiedergabe seiner Unterhaltung, so als hätte er sich von einem ekelhaften Schleim, der seinen ganzen Körper bedeckte, befreien müssen. Das Schütteln und das Wiehern wechselten sich unregelmäßig ab. Er wühlte mit der eigenen Zunge im Mund herum und tat so, als müsse er regelmäßig angewidert ausspucken. (»Wer sagt, Wörter seien unschuldig und geschmacksneutral, der lügt.«) Aber bevor man bereit gewesen sei, die eigene Glaubwürdigkeit in die Waagschale des Systemvergleichs zu werfen, habe man Shane immer wieder auf diesechzehn Jahre hingewiesen, die seit der Flucht des jungen Mannes verstrichen seien. Empört sei sie gewesen, richtig empört. So etwas vergehe nicht. Auf die Verlässlichkeit ihres Herzens habe die alleinstehende Krankenschwester, Angestellte der örtlichen Poliklinik, bestanden. (»Das imaginierte, nie bewiesene Innenleben des faustgroßen Muskels entscheidet über Krieg und Frieden. Seit jeher.«) Man habe konspirative Kontakte zur Jugendliebe vermutet, habe aber keinen einzigen stichhaltigen Beweis dafür ausfindig machen können. Umgehend habe man Antwort aus Berlin erhalten. Ja, es bestehe Interesse an diesem delikaten Vorgang. Die Genossen seien angereist und er, der heutige Offizier a.D., sei aus dem Rennen gewesen. Man habe sich bedankt für die weitsichtige Kooperation und bedingungslose Verschwiegenheit befohlen. Der federführende Mann sei ein alter Studienkollege gewesen, einer, der immer schon ein wenig besser gewesen sei als er selbst, ein sympathischer Kerl, dem an
der Sache
gelegen gewesen sei, der niemandem etwas Schlechtes zufügen wollte, der aber, wenn es darum ging, ideologisch zu argumentieren, die Dinge mit der Axt zu trennen wusste: Gut und Böse. Der Genosse sei einer von der Sorte gewesen, dem man den Erfolg gegönnt habe. Nicht herablassend, nicht wichtigtuerisch, wie so viele andere in diesem
Geschäft
, nein, er sei geradezu glücklich gewesen, die Kandidatin in seine Obhut übergeben zu haben. Hofffmann schüttelte sich ein letztes Mal. Und dann, sagte Hofffmann, ist dieser Knilch aufgestanden und hat vor meinenAugen bei seinem alten Kumpel in Berlin angerufen. Nach einer kurzen Plauderei über günstige Gartenmöbel hat er ihm telegrammartig von unserem Fall berichtet und dann habe er, Hofffmann, nur noch das Wort
Jawoll
gehört. Immer wieder:
Jawoll
. (»Die unsichtbaren Verbindungen dieser Leute liegen über unserem Land wie ein verwaistes Spinnennetz. Niemand weiß, ob das Tier je wieder nach Hause kommt.«)
    Hofffmann war aufgekratzt. Die ganze Fahrt über sprach er von
der Firma
, von der Unglaubwürdigkeit dieser Typen, die man zu deuten habe wie die Sprüche des Orakels, von den Akten, die er gelesen habe, vom Roman seines offensichtlichen Lebens, wie er das nannte. Auf die Frage, warum wir pflichtschuldig den Anweisungen eines ehemaligen Spitzels folgten, im Auto nach Berlin säßen, um einen Mann zu treffen, dessen Namen wir nicht einmal kannten, da schwieg Hofffmann. Nach einer Weile fuhr er rechts ran. Auf den Haltestreifen der Autobahn. Er schaltete das Warnlicht ein, hielt sich mit beiden Händen am Lenkrad fest und schaute mich freundlich an. Weil wir herausfinden wollen, was mit dieser Frau auf dem Foto los war. Sie ist der Weg zur Wahrheit über den Vater. So einfach ist das. Wir müssen allen Hinweisen nachgehen, auch wenn sie uns in die Irre führen. Sogar wenn wir wissen, dass wir es mit notorischen Lügnern zu tun haben. Denn am Ende müssen wir eine Geschichte erfinden, die uns zufriedenstellt. Das ist unsere Freiheit. Egal, in welchem Land wir leben. Für diese Geschichte brauchen wirMaterial. Im Rückspiegel funkelte das rotierende Blaulicht eines Polizeiwagens. Sagen wir die Wahrheit, lachte Hofffmann, oder täuschen wir eine Übelkeit vor?
    Inzwischen ist es später Abend, ich sitze wieder in meinem Wiener Zimmer und schreibe weiter. Hilfe, Hilfe, der Film fängt heute schon um vierzehn Uhr an, hat die Wirtin heute Mittag völlig unvermittelt geschrien und dabei wie wild gegen meine Zimmertür gehämmert. Ich bin fast vom Stuhl gefallen. Ich habe die drei rosa Streifen genommen und sie durch den Ausschnitt meines T-Shirts unter den BH-Gummi geschoben. Ich habe hastig die Tür aufgerissen; die Wirtin stand da mit weit

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