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Was wir erben (German Edition)

Was wir erben (German Edition)

Titel: Was wir erben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BjÖrn Bicker
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habe schon begonnen, im Netz Kontakte zu Aktivisten in anderen Ländern zu knüpfen. Ungarn, Rumänien, Serbien, Italien, Schweden, Norwegen. Es sei an der Zeit, die Sache seines Volkes in die eigenen Hände zu nehmen und für das Ende der Verfolgung zu kämpfen. Die letzte Kerze war erloschen. Keiner von uns beiden kam auf die Idee, das Licht anzuschalten. Ich dachte nicht mehr an Holger, den ich ein paar Tage zuvor in München besucht hatte, nicht an den Vater, nicht an Nele, nicht an Hofffmann. Valon führte mich in sein Zimmer. Es war dunkel. Als er die Tür hinter sich zumachte, bin ich über den schlafendenRICO gestolpert und bäuchlings auf Valons Matratze gelandet.
    Am nächsten Morgen bin ich von Hofffmanns Lärm aufgewacht. Er klapperte, so laut es ging, mit Geschirr und Töpfen herum. Valon war nicht mehr da, RICOs Platz verwaist. Ich stand auf, zog mir ein T-Shirt über und Hofffmann wünschte mir in der Küche einen guten Morgen, so als sei es das Normalste von der Welt, dass ich in Unterhosen und T-Shirt zum Frühstück erscheine. Er stellte mir einen dampfenden Kaffee auf den Tisch. Draußen schien die Sonne. Ich hatte für einen Augenblick erwartet, mich schlecht fühlen zu müssen, immerhin hatte ich gerade Holger betrogen und war in die verschworene Männerwelt der beiden Kerle eingebrochen, stattdessen war ich überrascht, dass sich alles leicht und unbeschwert anfühlte. Hofffmann war groß darin, Klarheit zu verbreiten. (»Groß sind wir dann, wenn wir unser Böses umtaufen.«) Ich hatte über Nacht vergessen, dass Hofffmann aufgebrochen war, um diesem alten Stasitypen, von dem er erzählt hatte, einen Besuch abzustatten. Wenn du den Kaffee getrunken hast, ziehst du dich an und dann darfst du wieder in mein Taxi steigen, sagte Hofffmann. Das ist ein Triumph, der da in meiner Stimme klingt, ja, du hast richtig gehört. Wir fahren nach Berlin. Wir haben dort einen Termin. Oberst Soundso. Ehemaliger Auslandsgeheimdienst. Da fiel es mir wieder ein. Klar, darum ging es. Ich versuchte, sofort mitzuspielen, gesteigertes Interesse zu zeigen, aber Hofffmann beruhigte mich. Es sei gut, auchmal
an was anderes zu denken
. (»Das Spiel ist nicht aus, wenn wir spielen, dass es aus ist.«) Auf der dreistündigen Fahrt von N. nach Berlin berichtete Hofffmann von seinem nächtlichen Besuch. Der Offizier a.D. habe
gesungen
, zwar nicht unbedingt immer verständlich, aber klar genug, um eine Ahnung zu bekommen, was da los gewesen sei. Hofffmanns Hoffnung habe sich erfüllt, der Typ sei froh gewesen, dass er bei ihm erschienen sei, er habe sich spontan erleichtert, er, Hofffmann, habe ihm, dem Spitzel a.D., das Gefühl gegeben, jetzt sei die Zeit reif. Er könne sein Gewissen dadurch befreien, dass er ihm in einer anderen Sache weiterhelfe und er, Hofffmann, versichere ihm, seinen Frieden zu schließen und für ihn zu beten, wenn er das wünsche. Hofffmann wieherte immer wieder, während er von seinem Treffen erzählte. Wie ein Maschinengewehr: Lachsalven.
    Man habe Shane, Hofffmann nannte Deine Mutter nur noch Shane, seit ich ihm das Foto, auf dem man den Vater und Deine Mutter vor dem Oplympiaschwimmbad in München sieht, gezeigt hatte. Man habe also Shane (»Decknamen sind nicht weniger wahr als Klarnamen. Wir leben im 21. Jahrhundert.«) gewinnen wollen für die
Firma
, weil sie in der Klinik beliebt war und das Vertrauen von allen möglichen Angestellten genossen habe. Von Ärzten genauso wie von Pflege- und Wirtschaftspersonal. Sie sei wie geschaffen gewesen für eine inoffizielle Tätigkeit im Dienste der Werktätigen. Aber sie habe sich von Anfang an quergestellt, sie habe bei den Kontaktaufnahmenoffen von ihren Auswanderungswünschen berichtet. Zwar sei sie überzeugt gewesen von den Ideen und Zielsetzungen des Arbeiter- und Bauernstaates, aber der Verlust ihrer großen Liebe habe ihr wohl keine Ruhe gelassen, sie habe unbedingt reisen wollen: auf der vorauseilenden Spur ihres Herzens. Ja, feixte Hofffmann, genau so hat er das ausgedrückt: auf der vorauseilenden Spur ihres Herzens. Nach unzähligen Gesprächen und diskreten Erkundigungen seinerseits sei klar gewesen, worum es Elisabeth ging. Als man spitzgekriegt habe, dass die Jugendliebe dabei war, beim Klassenfeind eine nicht unbedeutende militärische Karriere zu machen, da habe man es für nötig gehalten, die Verhandlungen mit Shane auf die nächsthöhere Ebene zu delegieren. Sie, die kleinen Nager in N., hätten sich an ihr die Zähne ausgebissen.

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