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Was wir erben (German Edition)

Was wir erben (German Edition)

Titel: Was wir erben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BjÖrn Bicker
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wieder die Hände kreisen. Halt das Lenkrad fest, schrie ich ihn an. Du bist ein verdammter Lügner, weder bin ich schwanger noch taubstumm noch deine Frau noch heißt du Hofffmann. (»Dokumente sollen uns versöhnen mit der zweifelhaften Vorderseite dieser Welt.«)
Hofffmann
heißt die Hauptfigur in diesem Roman meines offensichtlichen Lebens, von dem ich dir erzählt habe. Diese Aktenberge, die die Spitzel aufgetürmt haben, du weißt schon. Ich habe den Namen in mein anderes Leben übernommen, um die Verwirrung zu steigern und zu zeigen, wer der Herr im Hause ist. (»Der Spatz ist tot. Es lebe der Hofffmann. Das Selbstgespräch ist die unverfänglichste Form der gescheiterten Kommunikation.«) Komm nicht auf die Idee, über mich zu schreiben, das haben schon ganz andere versucht, schob er nach. Und wenn ich dem halben Bruder erklären will, was ich hier erlebt habe, wer seine Mutter war, woher sie den Vater kannte? Dann nenn mich beim falschen Namen, antwortete Hofffmann, aber bleib schön bei der Wahrheit, um Gottes willen. Du weißt ja noch gar nichts. Hofffmanns Telefon klingelte. Ich wusste bis dahin gar nicht, dass er ein Handy hatte. Er kramte ein funkelnagelneuesNokia aus seiner Hosentasche und hielt es sich mit zwei Fingern chefmäßig ans Ohr. Er sagte nichts, er hörte nur zu. Er legte das Telefon auf die Ablage vor der Windschutzscheibe. Die Brüder können es nicht lassen, sagte er, sie spielen Cowboy und Gendarm. Mach dich auf eine lange Reise gefasst. Wir sollen zum Hauptbahnhof kommen, sagte er, dort liege eine Nachricht für uns an der zentralen Information. Man müsse sichergehen, dass wir alleine sind. Ich war erstaunt. Es besteht doch keine Gefahr mehr. Weder für den Oberst noch für uns. (»In Verschwörungstheorien kommen keine Verkehrsschilder vor. Ich habe den Grund dafür nie ermitteln können.«)
    Die Wirtin hat mich ins Café Ritter geführt, Ecke Neubaugasse. Wiener Kellner. Wiener Möbel. Wiener Zeitungen. Wiener Gäste. Wiener Linoleum. Wiener Geräuschkulisse. Wiener Raucherbereich. Wiener Toilette. Nachdem ich mich wieder von der Kloschüssel erhoben hatte, habe ich mich beim Reinigen der Mundwinkel kurz in dem stumpfen, gesplitterten Spiegel betrachtet. Fahl. Anschließend bin ich mutlos an den Tisch zur Wirtin und habe mich in eine der gepolsterten Lederbänke fallen lassen. Kind, hat die Wirtin gesagt, jetzt aber mal raus mit der Sprache. Sie wissen doch sowieso schon alles, habe ich resigniert geantwortet. Nein, nein, nein, hat sie geflötet. Für manche Dinge habe ich einen Blick. Aber ich sehe nur die Oberfläche. Und der Film, habe ich gefragt? Was für ein Film? Na,
Königliche Hoheit
! Das war doch kein Zufall. Sieschaute mich an, als hätte sie es mit einer Verrückten zu tun. Ich fing an, ihr unsere Geschichte zu erzählen. Dein Auftauchen. Warum ich in Wien bin. Alles. Auf dem Weg vom Café Ritter in die Apollogasse habe ich die Wirtin gefragt, was ich tun soll. Folge Deinem Herzen, Kind, hat sie ganz pathetisch gesagt. Wie der Prinz in diesem Film. Königliche Hoheit. Erst als er seinem Gefühl gefolgt ist, haben sich seine Augen geöffnet für die Wirklichkeit. Er hat all das Spiel um sich herum als Spiel erkannt und dann konnte er plötzlich Entscheidungen treffen, die ihm und seinem Land zum Wohle gereichten. Ich war enttäuscht. Meine Operettenwirtin ist zu nichts anderem als zur Operette zu gebrauchen, habe ich gedacht.
    Hofffmanns Taxi bescherte uns in Berlin einen Parkplatz direkt vor dem Bahnhof. Als wir durch die untere Halle liefen, ertönte drei Mal hintereinander eine Durchsage. Herr Spatz und Frau Hofffmann, Herr Spatz und Frau Hofffmann, bitte melden Sie sich an der Rezeption zur DB-Lounge. Sie werden dort erwartet. Hofffmann blieb stehen, drehte sich um und zog mich Richtung Rolltreppe. (»Wäre ich Konfuzius, würde ich sagen: Wenn Du es eilig hast, mache einen Umweg.«) Wir fuhren erst nach oben, kauften ohne Hunger zwei Croissants, um dann auf der Rolltreppe wieder runterzugleiten zu dieser DB-Lounge. Am Empfang saß eine trainiert freundliche Dame im Bahnkostüm und übergab uns einen Briefumschlag. Wer hat Ihnen den Umschlag gegeben, fragte Hofffmann. Daskann ich Ihnen nicht sagen, erwiderte die Frau, wir hatten eben Schichtwechsel und die Kollegin ist bereits weg. Die Fahrt geht weiter, sagte Hofffmann. In dem Brief stand eine Adresse in Friedrichshain, die sich, nach einigem Gekurve in Hofffmanns Taxi, als Baulücke entpuppte. Ein etwa

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