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Was wir erben (German Edition)

Was wir erben (German Edition)

Titel: Was wir erben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BjÖrn Bicker
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Einblick in die Vergangenheit nicht mehr zu rechnen. Es liege an uns. Seine Behörde habe den größten Teil ihrer Aufzeichnungen in den turbulenten Tagen des Machtwechsels vernichtet. Welche Behörde, fragte Hofffmann. Auslandsspionage, HVA, sagte die Stimme. Er sei be reit, uns zu helfen. Man müsse trennen können zwischen persönlichem Schicksal und historischer Notwendigkeit, das habe er inzwischen eingesehen. Und jetzt bitte keine Fragen mehr! Man habe besagte Frau angeworben, weil man eine Chance gesehen habe, an den aufstrebenden Offizier der Bundeswehr heranzukommen, solche Gelegenheiten hätten sich nicht oft geboten, man habe das als Investition in die Zukunft betrachtet, schließlich hätte aus dem Vater alles werden können. Mit dieser selbstzerstörerischen Entwicklung in der Folge ihrer Operation hätte man zum damaligen Zeitpunkt nicht unbedingt rechnen können. Nachher sei man immer klüger. Zum Glück war in diesem Baumarkt nicht viel los. Ab und zu kam jemand vorbei, wunderte sich kurz, was wir da unten taten, und ging weiter. Hofffmann hatte sich, umsichtig wie er war, auf dem Weg zur Wanne ein Metermaß eingesteckt. Damit fuchtelte er zur Tarnung ab und zu herum. Der Typ im Abfluss sprach quälend langsam. Wir waren völlig abhängig von Tempo und Richtung seinerAusführungen. Er faselte ewig von irgendwelchen wissenschaftlich entwickelten Verhörmethoden, bis er irgendwann eine lange Pause machte. Vertreten Sie sich die Beine, befahl er anschließend, und kommen Sie wieder her. Wir taten tatsächlich, was er angeordnet hatte. Hofffmann war aufgeregt, Schweiß stand auf seiner Stirn, das hatte ich bei ihm bis dahin noch nicht gesehen. Meinst du, da kommt noch was, habe ich ihn gefragt. Ja, hat er geantwortet, ja, jetzt gleich, ich bin mir sicher. Der Typ habe sogar seine Arthrose im Knie bedacht, sonst hätte er uns nicht auf die Erholungsrunde durch die Tapetenstraße geschickt, sagte Hofffmann anerkennend. Als Hofffmanns Knie wieder bewegungsfähig war und er nicht mehr humpelte, steuerten wir erneut die Badewanne an und platzierten uns an der alten Stelle. Schön, sagte die Stimme, wir konnten besagte Frau davon überzeugen, die Republik mit einem von uns entwickelten Auftrag zu verlassen. Wir fingierten ihre Republikflucht. Alles sollte echt aussehen, nur die eine Lücke im Zaun, an dieser Stelle lachte er, die sei von ihnen in diskreter Zusammenarbeit mit den Organen der Nationalen Volksarmee und anderen Abteilungen des MfS künstlich geschaffen worden. Man habe die Frau aufs Genaueste eingewiesen in die Geografie der Grenzbefestigungen, der Zeitplan für den nächtlichen Grenzübertritt sei penibel festgelegt gewesen, eine Stromsperre an besagtem Grenzabschnitt konnte nicht länger als maximal fünfzehn Minuten aufrechterhalten werden, sonst sei das Risiko zu groß gewesen, dass gewöhnlicheGrenzsoldaten von der Aktion tangiert worden wären. Das hätte ungute Auswirkungen für weitere Operationen haben können. Sie sei sehr verständig und akkurat gewesen. Der Handel war klar, sagte die Stimme: Sie durfte ihre Jugendliebe neu entflammen, ihre anmutige äußere Erscheinung und ihr klares Wesen hätten keinen Zweifel aufkommen lassen, dass das gelingen würde, und als Gegenleistung sollte sie, zunächst als ruhende Kraft, später als aktive Quelle, den Offizier der Bundeswehr, Ihren werten Vater, das sagte er tatsächlich genau so, anzapfen. Ministerium. Akademie. Strategisches Wissen. Das habe man gebraucht, damals. Die Flucht sei vorbildlich verlaufen, flüsterte die Stimme. Die Agentin habe sich mustergültig verhalten. Über die genauen Umstände der Kontaktaufnahme zur Quelle könne er nichts sagen, das habe nicht mehr in seinem direkten Verantwortungsbereich gelegen. Später habe man erfahren, dass es eine Schwangerschaft gegeben habe, dass die Dame nicht zum Abbruch bereit gewesen sei, dass sie mit Enttarnung gedroht habe, dass ein Teil der mit dem Fall betrauten Genossen jedoch von härteren Maßnahmen absehen wollte. Warum, wollte ich fragen, aber Hofffmann hielt mir pflichtschuldig den Mund zu. Die instabile psychische Verfassung der Quelle, des Vaters, und die Gefahr der Enttarnung hätten nach längeren Beratungen für ihn und den unerbittlichen Teil der Genossen nur noch zwei Möglichkeiten offen gelassen: Liquidation oder Neugeburt. Entweder, oder. Die Stimme verriet nicht, was mit Neugeburt gemeint gewesensein könnte. Die Agentin habe sich in unzähligen konspirativen

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