Was wir erben (German Edition)
seien manchmal etwas bürokratisch, sagte sie, und mein
Freund
, sie sagte das plötzlich mit einem ironischen Unterton, gelte nicht gerade als pflegeleicht. Man kenne sich in dieser kleinen Stadt. Jedem eile ein eigener Ruf voraus. Was sie damit sagen wolle, habe ich sie gefragt. Da hat sie die Hände schützend nach oben gehalten und darauf verwiesen, dass sie ja erst seit kurzer Zeit hierarbeite, aber es gebe Kollegen, die schon viele, viele Jahre ihren Dienst in dieser Klinik verrichteten.
Warum hat Hofffmann sich so zugeschüttet? Wegen Valon? War er so schockiert, dass ihn die Polizei aus der Wohnung abgeholt hat? Wer hat ihn verpfiffen? Klar, Hofffmann fühlte sich schuldig, weil er wirklich davon überzeugt gewesen war, seine Vergangenheit würde ausreichen, jemanden wie Valon vor der Abschiebung zu schützen. Aber er hatte sich getäuscht. Sie haben Valon mitgenommen. Es war tatsächlich die Polizei. Sie haben die Wohnung aufgebrochen und ihn in Handschellen abgeführt. Ich bin aus dem Krankenhaus gleich zur örtlichen Polizei und dort hat man mir mitgeteilt, dass Valon sich unrechtmäßig, also ohne Aufenthaltstitel, in der BRD aufgehalten habe und aus diesem Grund habe man ihn festgenommen und der Bundespolizei übergeben. Diese habe ihn nach Düsseldorf gebracht, weil von dort in Kürze ein Abschiebeflug in den Kosovo starte. Der Polizist hat auf seine Uhr geschaut und sich korrigiert: Gestartet ist. Warum so plötzlich, wollte ich wissen. Mein
Freund,
er meinte Valon, habe ein nicht unbeträchtliches Vorstrafenregister gehabt, da könne man keine Kulanz einräumen, auch in
diesem Falle nicht
. Wer ihnen den Auftrag gegeben habe? Dienstgeheimnisse, die nicht für mich bestimmt seien. Und warum durfte er nicht mal sein Telefon mitnehmen? Er habe eine halbe Stunde Zeit gehabt, alles einzupacken. Er könne nicht sagen, warum
mein Freund
sein Handy nicht eingesteckt habe. Die Gesetze seien hart, dasfinde er auch, aber es seien die Gesetze eines Rechtsstaates, immerhin.
Ihr Freund
hat uns gebeten, Ihnen diese Nachricht zu übergeben, falls Sie hier auftauchen sollten. Das sind doch Sie, oder? Er hat mir einen gefalteten Zettel entgegengestreckt. Außen auf dem Zettel stand: Für Elisabeth. Ich habe den Polizisten stehen gelassen und bin in die Wohnung gelaufen. Plötzlich waren die Straßen wieder bevölkert. Vor dem Kino bin ich mit einem Mann zusammengestoßen. Er sah aus wie der Kaufhausdetektiv aus dem Baumarkt. Er hatte nur eine andere Frisur. Ich bin hoch in die Wohnung und habe angefangen aufzuräumen. Alle Flaschen in einen Müllsack, die vollgekotzte Bettwäsche dazu. Ich habe den Boden mit Neutralreiniger geschrubbt, und als ich fast fertig war mit Hofffmanns Zimmer, hörte ich aus der Ferne ein leises Wimmern. Erst dachte ich an ein Radio oder einen Fernseher in der Nachbarwohnung, aber Hofffmanns Wohnung war die einzig bewohnte im ganzen Haus. Ich habe versucht, das Geräusch zu orten. Es kam definitiv aus einem anderen Zimmer. Ich führte mein Ohr die Wände entlang und dabei habe ich entdeckt, dass von Hofffmanns Zimmer noch ein weiteres Zimmer abging. Die Wand war so tapeziert, dass man gar nicht mehr gesehen hat, dass da mal eine Tür war. Nur ein dünner schwarzer Streifen markierte diese Pforte. Ein kleines Loch, hüfthoch. Unten an die Wand gelehnt ein Stück Metall, das aussah wie ein alter Handbohrer. Das Wimmern kam eindeutig aus einem Raum hinter dieser Wand. Ich nahm den Bohrer, ging in die Knie, steckteihn in das Loch und zog daran. Es öffnete sich eine Sperrholztür, die in den alten Türstock eingelassen war. Aber nur einen halben Meter etwa, dann stockte es. Die Tür war von innen mit einem ausgeleierten Expander befestigt. Ich schob mich durch den Spalt hindurch. Aus Hofffmanns Zimmer fiel ein Lichtstrahl quer durch den Raum, ein Blitz, der am Ende auf ein am Boden liegendes Foto zeigte. Mit der Hand tastete ich an der Wand entlang, um vielleicht einen Lichtschalter zu finden. Das Geräusch war lauter geworden, seit ich in dem Raum war. Im Takt einer Herzlungenmaschine ging es auf und ab. Auf und Ab. Ein ratterndes Stöhnen. Und dann habe ich den Lichtschalter gefunden. In der Ecke, neben einem alten Kohleofen lag RICO. Er machte das Geräusch. Es war ein wehrloses Schnarchen. Aber der Hund schlief nicht. Er drehte ganz langsam seinen Kopf in meine Richtung. Die Augen waren matt, noch matter als sonst. Er konnte nicht aufstehen. Er wedelte nicht mal mit dem Schwanz, wie er es
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