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Was wir Liebe nennen

Was wir Liebe nennen

Titel: Was wir Liebe nennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Lendle
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hatte. Im Traum war es stehen geblieben, und nun presste er die Hand auf die Brust, um zu überprüfen, ob alles in Ordnung war, aber auch auf dieser Seite des Schlafs tat sich da drin nichts. Absehbar, dass das kein gutes Ende nehmen würde, die Biologie ließ nicht mit sich reden. Es hatte ihn erwischt. Er musste etwas tun.
    Lambert s prang auf und stieß sich den Kopf an einer Verzierung der Laterne. Sein Telefon fiel ihm aus der Hand, er sah es über das Pflaster schlittern, auf den Rand der Mole zu, aber dafür hatte er nun wirklich keine Zeit. Erst einmal musste er überleben. Auf einem Bein hüpfte er um die Laterne herum, damit sein Blutkreislauf in Bewegung kam, eine Hand auf den Brustkorb gepresst. Als er nach einer Weile keuchend stehen blieb, stellte er fest, dass sein Herz die ganze Zeit schlug. Wie wild, aus großer Tiefe. Wie hatte er es nur überhören können?
    Lambert hockte sich hin und legte die Stirn auf das Pflaster. Ein paar Mal atmete er einfach ein und aus. Dann krabbelte er hinüber zum Rand der Mole, wo sein Telefon lag. Er hatte keine neuen Nachrichten.
    Auf dem Rückweg in die Stadt kam er an seinem Hotel vorbei, wo gerade ein Taxi abfuhr. Er konnte nicht lange geschlafen haben, aber es war jetzt nahezu hell. Durch die Glastür sah er die kleine Asiatin wieder, sie stand hinter dem Tresen der Rezeption und feilte ihre Fingernägel. Leise trat er ein, eine Hand noch immer auf die Brust gepresst. Erst als er direkt vor ihr stand, sah sie auf.
    Â»Ob es möglich wäre, das eben frei gewordene Zimmer zu bekommen?«
    Â»Für wen?«
    Â»Für mich.«
    Â»Für morgen?«
    Â»Für jetzt.«
    Â»Aber die Nacht ist vorbei.«
    Â»Das dürfen Sie nicht sagen. Ich hatte noch auf einen kleinen Rest davon gehofft.«
    Â»Das Zimmer ist ja gar nicht gemacht.«
    Â»Egal. Ich müsste einfach noch etwas schlafen.«
    Sie sah ihn an, wie man einen Hund ansieht, der einem unter dem Tisch am Hosenbein schnüffelt. Dann schlug sie das große Buch mit den Reservierungen auf, blätterte darin, griff nach dem Telefonhörer, ohne ihn abzunehmen, sah auf ihre Fingernägel.
    Â»Sie müssten bis neun aus dem Haus sein.«
    Â»Wie s pät ist es jetzt?«
    Â»Halb sechs.«
    Â»Das wäre wunderbar.«
    Â»Ich gebe es Ihnen günstiger. Aber wir müssten Sie bitten, im Voraus zu bezahlen.«
    Â»Gerne.«
    Er holte aus der Hosentasche, was ihm von seiner Gage geblieben war, dazu die beiden zerknitterten Nelken und legte alles auf den Tresen. Die Frau schob wenige Scheine zurück und reichte ihm einen Schlüssel. Auf den schweren goldenen Anhänger war die Zimmernummer 504 geprägt.
    Â»Der Frühstücksraum öffnet in einer halben Stunde.«
    Â»Danke. Nicht nötig.«
    Â»Dann wünsche ich eine gute Nacht.«
    Sie lächelte ihn an, die Nagelfeile schon wieder in der Hand, und er stand da, mit dem Schlüssel und der Tasche, und wusste, dass er nun zum Fahrstuhl gehen müsste. So ging das S piel. Aber er rührte sich nicht von der Stelle.
    Â»Ja?«
    Â»Haben Sie je erlebt, dass Ihr Herz stehen bleibt?«
    Â»Nein, warum?«
    Â»Mir ist es eben passiert.«
    Â»Merkt man Ihnen nicht an.«
    Â»Inzwischen schlägt es auch wieder. Hoffe ich jedenfalls.« Wieder hielt er sich die Hand an die Brust. »Wollen Sie einmal fühlen?«
    Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu, dann beugte sie sich vor und hielt ihre Hand neben seine. Durch den Stoff der Jacke drangen schwache, gleichmäßige Schläge. Lambert sagte: »Ich überlege, ob es nicht besser wäre, in eine Klinik zu gehen.«
    Â»Die Entscheidung kann ich Ihnen nicht abnehmen. Aber für mich fühlt es sich regelmäßig an. Könnte es sein, dass Sie etwas aus der Balance sind?«
    Â»Das beschreibt es wohl ganz gut.«
    Â»Nun.« Sie nahm die Hand zurück und griff wieder nach der Nagelfeile. Langsam fuhr sie damit über ihren Daumen, als schnitte sie einen Laib Brot, dann räu s perte sie sich und sagte: »Mein Freund hatte etwas Ähnliches, als wir uns kennenlernten. Es war unser erstes Mal. Mitten in der Nacht wachte er auf und glaubte, es sei vorbei.«
    Lambert stellte die Tasche auf den Boden. »Genau so ist es. Wie ging es weiter?«
    Â»Sie haben ihn wochenlang untersucht.«
    Â»Und?«
    Â»Nichts.«
    Â»Nichts?«
    Â»Außer dass es einfach nicht

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