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Was wir Liebe nennen

Was wir Liebe nennen

Titel: Was wir Liebe nennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Lendle
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reden sich raus.«
    Â»Immerhin ist in der Bibel von einem Apfel nie die Rede.«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Es ist wie mit dem Frosch. Alle denken, man muss ihn küssen, um einen Prinzen zu bekommen.«
    Â»Und?«
    Â»Stimmt nicht. Man wirft ihn gegen die Wand.«
    Â»Herrje, Sie haben recht, ich hätte ihn auch geküsst.«
    Sie fuhren fort in dem, was sie gerade taten. Die Frau arbeitete, und Lambert sah ihr zu. Er mochte die Bewegung ihrer nackten Arme. Von ihm aus hätte es jahrelang so weitergehen können. Es verlangte ihn nach nichts, nach keiner Erkenntnis, keiner Verführung. Ab und an riss er einen Streifen Watte ab und hielt ihn ihr hin.
    Â»Eine andere Verwechslung, die mir immer unterläuft: Paradies und Schlaraffenland.«
    Sie warf ihm über die Schulter einen Blick zu und wischte dann weiter.
    Â»Ich habe gehört, das geht vielen so«, sagte Lambert.
    Â»Der Unterschied liegt im Nahrungsangebot«, antwortete sie. »Ist eigentlich leicht zu merken.«
    Â»Ich heiße übrigens Lambert.«
    Â»Komischer Name.«
    Â»Das sagen manche. Und Sie?«
    Â»Was ich dazu sage?«
    Â»Wie Sie heißen.«
    Â»Andrea.«
    Â»Das freut mich. Wissen Sie vielleicht, was Sit janua coeli bedeutet? Es steht über einer der Kapellen.«
    Â»â€ºDies ist der Eingang zum Himmel.‹«
    Â»Vielver s prechend.«
    Als sie nichts entgegnete, fuhr er fort:
    Â»Schöner Ort jedenfalls. Hier möchte man bleiben.«
    Â»Ist das so?«
    Lambert schwieg. Es wäre zu kompliziert gewesen, ihr zu erklären, dass er mit Ort eher sie meinte.

17
    Diesmal war es eine Nachricht, die ihn weckte. Lambert zog die Traumbilder weg, dann seine Jacke und die Vorhänge und fand endlich seine Hose mit dem Telefon.
    Alles klar bei dir? Wir machen uns Sorgen.
    Die Nachricht kam von Andrea. Wer um alles in der Welt war »wir«? Eine Weile lang starrte er auf das Telefon und begann dann, eine Antwort zu schreiben. Es geht – , schrieb er und setzte dann neu an: Ich – . Es half nicht, er war noch zu müde. Das Telefon zeigte 06:43. Wie s pät war es dort, wo er herkam? Lambert war unsicher, in welcher Zeitzone er daheim war.
    Er ließ sich zurück aufs Bett fallen und schaute zur Decke. Wie das Auge begann, in den winzigen Schatten und Unebenheiten des Putzes Gestalten zu sehen. Dass man überall Gesichter erkannte und dann die Geschichten dazu, nie ließen sie einen in Ruhe. Vielleicht könnte er, wenn er nur lange genug zur Decke starrte, wieder in den Schlaf finden.
    Nach der Beerdigung seines Vaters hatte es Kuchen gegeben. Sobald der Kaffee kam, löste sich die Stimmung. Beim zweiten Stück Torte klagte eine Großtante mit hoher Stimme, sie habe mal wieder die ganze Nacht wach gelegen. Worauf Lamberts Onkel vom anderen Ende der Tafel rief: »Wer nachts nicht schlafen kann, von dem träumt gerade jemand.« Es gab ein großes Oho, und alle hatten schelmisch mit dem Finger auf die Großtante gezeigt.
    Lag Lambert wach, weil jemand von ihm träumte? Und wer konnte das sein?
    Andrea und er hatten nie darüber ge s prochen, ob sie zusammen waren. Es hatte sich einfach nicht ergeben. In der ersten Zeit nach dem Kennenlernen in der Abtei war daran nicht zu denken gewesen, und irgendwann war es zu s pät, um das Ge s präch noch darauf zu bringen. Und es hatte ja auch niemand je in Zweifel gezogen.
    Nach einer Weile hörte er, dass die Schatten auf der Decke leise seufzten. Er hob den Kopf, um die Ohren frei zu haben, aber es war nicht zu überhören: ein kleines, wohliges Seufzen, das jetzt lauter wurde und auf eine Weise regelmäßig, dass es nur einen Grund dafür geben konnte. In Zimmer 505 schien jemand erwacht zu sein. Eine Frau.
    Lambert richtete sich auf. Er legte das Ohr an die Wand. Ein Summen, Stöhnen, Ächzen, Ließ sich aus solchen Urlauten auf das Äußere der Frau schließen? War es überhaupt ein Mensch? Er versuchte sich vorzustellen, wie sie aussah, in schnellem Wechsel tauschte er Gesichter, Haarfarben, Physiognomien wie bei einer Anziehpuppe aus Papier. Gerade als er auch das Modell üppig-blass-rothaarig verworfen hatte, mischte sich auf einmal die Stimme eines Mannes in das Konzert. Er wiederholte im Wesentlichen den Part der Frau, allerdings einige Oktaven tiefer, durchdringender, gehetzter. Auf merkwürdige Weise lag Lambert mit den beiden im Bett, ohne sie sehen zu

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