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Was wir Liebe nennen

Was wir Liebe nennen

Titel: Was wir Liebe nennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Lendle
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nervös. Aber nun war am Wochenende in Russland eine Tupolew abgestürzt, was sich schon deshalb nicht aus den Nachrichten heraushalten ließ, weil der Ministerpräsident irgendeines osteuropäischen Landes dabei ums Leben gekommen war. Tausende Flieger erreichten jeden Tag sicher ihr Ziel, aber wenn einer runterkam, griff sofort diese An s pannung um sich. Auf den Flughäfen konnten die Passagiere sich kaum mehr aus der sorgenvollen Umklammerung ihrer Angehörigen befreien. Kaum an Bord, belagerten sie die Flugbegleiter, die ihre Unruhe an den Piloten ausließen Und wer hatte am Ende die Piloten im Ohr?
    Viola hatte Slots entzerren müssen, was an den Drehkreuzen ein allgemeines Chaos nach sich zog und nicht gerade zur Beruhigung beitrug. Allein heute hatte sie sieben Notlandungen genehmigt. Sieben Mal Fehlalarm.
    Aber sie hatte bei ihrem außerplanmäßigen Stopp in Irland ja gerade selbst erlebt, wie es sich im Inneren der Angst anfühlte. Also tat sie alles, um keine Panik aufkommen zu lassen, keine neue Unruhe zu säen. Keiner konnte voraussagen, was geschah, wenn niemand mehr die Sorgen dämpfte.

23
    Die Sonne begann schon zu sinken, als sie an der Ile Dorval vorüber trieben. Unter dem Abendrot öffnete sich der Fluss bis zum Horizont. Die Wellen zwinkerten ihnen zu. Der Himmel war klar, nur ein schmales Wolkenband wärmte sich im letzten Sonnenlicht. Davor erhob sich in regelmäßigen Abständen ein Flugzeug nach dem anderen, geräuschlos glitten sie hinauf in die Luft, eine lange, funkelnde Kette, an der all jene außer Landes gebracht wurden, die nicht hierher gehörten, die Verstoßenen und Verbannten, und Lambert war einer von ihnen.
    Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten Fe und er sich einfach weitertreiben lassen auf die Mitte der Wasserfläche, um an der tiefsten Stelle schiffbrüchig zu werden. Mit irgendeinem Trick würden sie zu verhindern wissen, dass das sinkende Boot sie mit in die Tiefe riss, und dann an ihre Eistafel geklammert auf Rettung warten.
    Aber es ging nicht nach ihm, und Rettung war nicht in Sicht. Sein Flugzeug hob in einer guten Stunde ab. Neben einem Yachthafen streckte sich eine kleine Landzunge nach ihnen aus, dorthin paddelten sie. Beim S prung ans Ufer landete Lambert im Schlamm. Er reichte Fe die Hand, gemeinsam zogen sie das Boot an Land. Wortlos, als würden sie sich seit Jahren kennen. Oder als hätten sie sich noch gar nicht kennengelernt.
    Bevor sie aufbrachen, lehnte Fe die Tafel gegen das Boot.
    Â»Was machst du da?«
    Â»Ich gebe ein falsches Ver s prechen.«
    Â»Wie grausam. Stell dir vor, hier kommt ein einsamer Wanderer entlang und kriegt Lust auf Eis.«
    Â»Und?«
    Â»Was ist das, S paß oder Bosheit?«
    Â»Ein Denkmal der unerfüllten Sehnsucht.«
    Â»Ich bin stolz, Zeuge seiner Einweihung gewesen zu sein.«
    Sie schlugen sich durchs Unterholz der Halbinsel. Lambert trug den einen Henkel seiner Tasche, Fe den anderen. Alles, was sie taten, geschah verzögert und ohne Aufmerksamkeit. Sie stiegen über Äste, Kiefernzapfen, Kondome. Wenn einer von ihnen stolperte, half der andere ihm auf.
    Die Straße, die sie erreichten, hieß Crescent of the Americas . Es gab einzeln stehende Häuser und Stellplätze, S puren fremden Lebens. Am Ende der Straße lag der Flughafen. Ein mannshoher Zaun ohne Durchlass, sie gingen daran entlang, erst in die eine Richtung, dann in die andere, endlich warf Lambert seine Tasche hinüber und hielt Fe eine Räuberleiter hin. Sie zog sich hoch, für einen Moment umklammerte er ihre Beine, die Nase in ihre Oberschenkel vergraben. Von ihm aus hätte es so bleiben können. Dann kletterte er ihr hinterher.
    Sie landeten direkt auf dem Flugfeld. Endlose Reihen gelber und roter Signallichter, der Beton der Landebahn verschenkte die am Tag gesammelte Hitze. Sie ließ die Lichter flimmern und machte den Flughafen zu einer einzigen Fata Morgana.
    Geduckt liefen sie an der Piste entlang, eine erdbraune Frachtmaschine raste heran, sie warfen sich auf den Boden, und ein riesiger Flügel glitt über sie hinweg. Als das Flugzeug vorüber war, s prangen sie auf und überquerten die Betonbahn, über der schon die nächste Maschine im Anflug glitzerte. Sie erreichten das Vorfeld, ein mexikanischer Airbus fuhr langsam an ihnen vorbei, der Pilot ballte in seinem Cockpit die Faust, aber er konnte ihnen nichts tun. Noch ehe er den

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