Was wir Liebe nennen
auch.« Eine Weile blieb es still im Hörer. Lambert wusste nicht, ob Sascha weinte, aber das Zittern ihrer Stimme konnte auch eine Folge der schwachen Verbindung sein. Das Pferd schnaubte. Vielleicht vermisste es seinen Gefährten, mit dem Fe vorgeritten war, um für einen Moment ihre Ruhe zu haben.
»Ist denn sonst jemand in deiner Nähe, vielleicht dein Vater?«
»Der ist bei ihr. Aber er kommt heute Abend her. Soll ich etwas ausrichten?«
Lambert merkte, dass er die ganze Zeit das borstige Fell des Pferdes kraulte. Es schien das Tier nicht zu stören. Er drehte sich zur Seite, damit der Idiot schlechter lauschen konnte, und presste das Telefon dicht an seinen Mund. Dann flüsterte er: »Sag mal, Sascha, ich habe eine Bitte.«
»Ich höre.«
Was für eine Freude aufgeweckte Kinder waren. Sascha brauchte keine fünf Minuten, um sich in das Netzwerk der Luftsicherheit einzuloggen, wobei ihr der gelbe Klebezettel am Monitor half, auf dem Viola ihr Kennwort notiert hatte. Der Idiot blieb zum Glück ruhig, obwohl er von Zeit zu Zeit s pöttisch mit dem Hinterteil wackelte.
Eine weitere Viertelstunde brauchten Sascha und Lambert, um gemeinsam die wichtigsten Codes herauszufinden, dann hatten sie eine Botschaft abgesetzt: BIRD SIGMET 1 VALID ASH OBS AND FCST N OF N50 MOV SE 20 KT INTSF. Etwaige Fehler in der Grammatik mochten der Dringlichkeit der Situation geschuldet sein.
Dies war der erste Teil der Aufgabe. Man würde die Warnung rasch weiterleiten, alles andere wäre fahrlässig. Hoffentlich erfolgte die Verbreitung so schnell, dass es bald nicht mehr möglich war, die Nachricht auf ihre Quelle zurückzuführen. Um das zu erreichen, musste ein wenig Durcheinander gestiftet werden, öffentlicher Druck würde dabei helfen.
Sie verlieÃen die LandstraÃe und ritten in ein Ahornwäldchen. Lambert diktierte Sascha eine kurze Mitteilung, die sie über die Funktion Presse meldung an den einge s peicherten Verteiler aus Wetterdiensten und Agenturen schickte. Die Nachricht enthielt im Wesentlichen die Worte Gefahr, Bedrohung und Furcht in verschiedenen Variationen. Vor dem Abschicken bat er Sascha noch, das Bild eines Flugzeugs zu suchen.
»Okay, welcher Typ?« Sie war wirklich unbezahlbar.
»Egal. Hauptsache, man sieht die Düse.«
»Ich habe hier eine Boeing. Findest du nicht auch immer, dass das nach einem Flummi klingt?«
»Perfekt, das hängst du bitte an und schreibst darunter: âºVon Kleinstpartikeln zerstörtes Triebwerk.â¹Â«
»Aber es ist doch gar nicht zerstört.«
»Macht nichts. Sie werden es glauben. Den Rest denkt man sich dazu.«
»Verstehe.«
Er buchstabierte Sascha das Wort »Kleinstpartikel«, dankte ihr überschwänglich und legte auf.
Dann steckte er sein Telefon weg, hob die Arme zum Himmel und stieà einen kleinen Schrei aus. Ihr Pferd begann zu wiehern, der Idiot drehte sich erschrocken um, und auch Fe, die auf sie gewartet hatte, ritt heran, um zu fragen, ob alles in Ordnung sei.
Es war nur ein Versuch, aber immerhin. Lambert hoffte einfach, dass sein Plan aufgehen würde. Er wartete eine halbe Stunde, dann schrieb er Andrea eine Nachricht. Du wirst davon gelesen haben. Hier ist vollkommenes Chaos. Ich fliege zurück, sobald sich wieder etwas bewegt. Zumindest der mittlere Satz traf zu.
33
Allmählich begann es zu dämmern. In der Ferne entdeckte Lambert die Umrisse eines Mannes, der am Wegrand stand, ohne sich zu rühren. Beim Näherkommen entpuppte er sich als Schild. Les Laurentides. Sie betreten die ältesten Berge der Welt.
Schweigend ritten sie weiter. Nach einer Weile fragte Lambert, warum man auf Wildpferden eigentlich reiten könne.
Fe warf ihm einen abschätzigen Blick zu.
»Was ihr euch für Vorstellungen von âºwildâ¹ macht. Es gibt keine ur s prüngliche Wildheit mehr. Diese Pferde leben seit vielen Generationen mit dem Menschen, dahinter können weder sie noch wir zurück.«
»Und warum läuft unser Pferd immer hinten?«
»Przewalski-Pferde leben nicht monogam. Jeder Hengst hat einen kleinen Harem. Dem allerdings ist er treu.«
»Interessant«, sagte der Idiot.
Fe lächelte ihn an. »Das sind zwei, drei Stuten, manchmal auch fünf oder sechs, dazu ihre Fohlen. Wenn sie unterwegs sind, geht der Hengst am Ende. Er kontrolliert, dass alle gut mitkommen, und sichert die Gruppe nach hinten
Weitere Kostenlose Bücher