Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was wir Liebe nennen

Was wir Liebe nennen

Titel: Was wir Liebe nennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Lendle
Vom Netzwerk:
ab.«
    Â»Und das sind in diesem Fall also wir?«
    Â»Ja. Ihr beiden macht hier den Hengst.«
    Der Weg wurde schmaler, und die Bäume griffen mit ihren Ästen nach ihnen. Immer wieder musste Lambert sich ducken. Wenn ein Zweig über ihre Köpfe strich oder sie vom Rücken des Pferdes zu heben versuchte, hielt Lambert sich an seinem Vordermann fest. Irgendwann ließ er die Hände auf dessen Hüften liegen. Nach einer Weile sagte Fe: »Ur s prünglich war das hier auch als Harem geplant. Ein Hengst, zwei Stuten, die Minimalkombination. Anders wäre an ein sinnvolles Auswildern nicht zu denken gewesen.«
    Â»Und dann?«, fragten die Lamberts.
    Â»Ach.« Fe klopfte ihrem Pferd den Hals. »Als ich am Flughafen die Kiste öffnete, war eines nicht mehr am Leben. Ich glaube nicht, dass die beiden es totgetreten haben, auch wenn im ersten Moment alles danach aussah. Wahrscheinlich hat es die Belastung des Fluges nicht überlebt, und die beiden anderen sind einfach in Panik geraten, weil es sich nicht mehr bewegte. Sie müssen in der engen Kiste durchgedreht sein.«
    Es sah aus, als würde Fe weinen. Lambert hätte einiges dafür gegeben, mit ihr auf dem Pferd zu sitzen und die Arme um sie zu legen. Stattdessen saß er hier hinter einer gestörten Ausgabe seiner selbst, die niemand auf der Welt brauchte und die schon gar niemand umarmen wollte. Von Fe womöglich abgesehen, aus unerklärlichen Gründen.
    Â»Ich hatte unglaubliche Scherereien. Durch einen dummen Zufall hatte ich die Papiere schon unterschrieben und musste mich erst ein paar Stunden mit der Flughafenverwaltung streiten, bis alles geklärt war. Den Leichnam behielten sie da. Seuchenschutz.«
    Â»Deswegen warst du so still, als wir uns getroffen haben.«
    Â»Ja. Und nur deswegen haben wir uns überhaupt getroffen.«
    Lambert stieß seinen Vordermann an. »Hörst du? Du warst zwar eigentlich vorgesehen, aber inzwischen gibt es dich gar nicht mehr. Es ist kein Platz für drei.« Von vorne kam nur ein knurrendes Lachen. »Wer sagt denn, dass ich zu viel bin?« Er tat, als wollte er dem Pferd die S poren geben, trat aber Lambert gegen das Schienbein. Der ließ sich nichts anmerken: »Jede Dreiecksgeschichte ist eine Variante von Maria, Josef und dem Heiligen Geist. Der Geist bist in diesem Fall du. Fahr zum Himmel.«
    Â»Das wollte ich dir gerade vorschlagen, in entgegengesetzter Richtung.«
    Â»Was wir hier jetzt machen, ist jedenfalls aus der Not geboren«, fuhr Fe von drüben fort. »Niemand weiß, wie es ausgeht. Ich bitte darum, den Erfolg der Sache nicht durch kindisches Betragen zu gefährden.«
    Lambert nickte kaum merklich, aber es sah ohnehin keiner zu ihm.
    Sie ritten querfeldein. Birken, junger Ahorn mit leuchtend grünem Blattwerk, manchmal Nadelbäume. Fe präzisierte: Gelbbirke, Rotahorn, Balsamtanne. Es war gut, jemanden dabeizuhaben, der alles besser wusste, auch wenn Lambert einer von der Sorte genügt hätte. Der Idiot bestand darauf, dass es sich um Zuckerahorn handelte. Auf dem Höhepunkt des kleinen Di s p uts ließ er sich vom Pferderücken hinunter auf den Boden gleiten, pflückte eines der Blätter und kaute darauf herum, als ob sein entzückter Ausruf »Süß, sie schmecken ein wenig süß!« irgendjemanden überzeugen würde. Lambert hätte am liebsten Reißaus genommen.
    Der Boden Granit, staubig und rau wie die Kruste eines zu lange gebackenen Brotes. Aus den Rissen winkte der Frühling und hoffte, jemand würde ihn bemerken. Fe zeigte ihnen Küchenschellen, Märzenbecher, Huflattich.
    Ihr kleiner Treck begegnete keiner Menschenseele. Sie steckten zwischen den Jahreszeiten. Die Wintersaison war vorbei, der Sommer hatte noch nicht begonnen. Hier und da letzte Altschneefelder, die den Einzug des Frühjahrs verpasst hatten und nun unschlüssig waren, was von ihnen erwartet wurde. Wer nah vorüberritt, hörte es leise tropfen.
    Ansonsten nichts als kalte Luft, überhängende Zweige, blanker Stein. Nur in den Windungen der kleinen Bachläufe lagerte Sand und glitzerte im Sonnenlicht, dass man nach Gold hätte suchen wollen.
    Manchmal ein Baumhörnchen, das erschrocken ihren Weg kreuzte, manchmal, weit über ihnen, eine einsame Lerche. Ihr unaufhörlicher Gesang, es ließ sich nicht entscheiden, ob es Jubel war oder Alarm.
    Die einzigen S puren der Menschheit

Weitere Kostenlose Bücher