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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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gestern noch
     so unendlich riesig erschienen ist, doch zu klein sein könnte. Dieser Boden würde nur einen Bruchteil des gewohnten Ertrags
     hergeben. Zweifel kommen hoch, ob unser Land tatsächlich genügend Weidegras und Heu hervorbringen kann, um unsere Huftiere
     übers Jahr zu ernähren. Man wird sehen.
    Als ich zum Haus zurückkehre, verkündet Sonja: «Herr Müsebeck kommt rum!»
    «Wie, um was kommt er herum?», frage ich verständnislos.
    «Na, herkommen tut er, zu uns.»
    «Aha. Kommt rum heißt so viel wie kommt her?»
    «Hier heißt das so.»
    «Er kommt auf ’ne Strippe rum bedeutet hier also: Er kommt her, um ein Brötchen zu essen?»
    «Ja», lacht sie, «aber er kommt rum wegen dem Heu.»
    «Er will Heu essen?»
    «Diiiitaaa! Du hast ja wohl keine Möglichkeit, die Wiese zu mähen und Heu zu machen, oder? Du bist ja morgen wieder weg. Und
     ich kann es auch nicht, ich produziere gerade einen Film, erinnerst du dich? Mein Mütterlein wird es wohl auch nicht schaffen,
     also   …»
    «Also?»
    «Hab ich gedacht, Müsebeck könnte es machen.»
    «Und wer ist Müsebeck?» Ich komme mir allmählich ziemlich unwissend vor.
    «Der einzige Bauer im Ort. Der hat das Heu auch immer für die Milhoffs mitgemacht, die haben mir von ihm erzählt, und ich
     hab ihn angerufen. Und nun kommt er rum, und du musst mit ihm bereden, wie wir tun.»
    |52| «
Ich
muss mit ihm bereden, wie
ihr,
also du und er, tut?» Werde ich je wieder aus dieser Fragenummer rauskommen?, frage ich mich.
    «Genau, mit dem Heu.»
    «Wär’s da nicht einfacher, wenn du das gleich selber direkt mit ihm   …»
    «Du bist der Herr am Hof», unterbricht sie mich. «Das müssen die Männer miteinander ausmachen.»
    «Aha.» Ich bin also der Herr am Hof. Gutes Gefühl, ich gebe es zu. Und bewundere meine Frau einmal mehr für ihr Organisationstalent.
     Ich wusste nicht einmal, dass es hier überhaupt einen Bauern gibt   …
    «Und wann kommt er rum?» Die nächste Frage vom Herrn am Hof an die Herrin.
    «Zu Mittach, sagte er.»
    «Und wann ist das uhrzeigermäßig?»
    «Weiß nicht. Zu Mittach eben.»
    «Hast du nicht nachgefragt?»
    «Doch, aber er verstand gar nicht, was da nicht klar sein soll. Zu Mittach eben.»
    «Aha, zu Mittag eben», sage ich ergeben und überlege, was «zu Mittach» sein könnte. Zum Mittag hin, also 11   :   59   Uhr? Oder wenn der Nachmittag beginnt, 12   :   01   Uhr? Und welcher Mittag, der echte Mittag oder der Sommerzeit-Mittag? Nein, Blödsinn, das kann ja alles nicht sein, dann wäre
     er schon längst aufgetaucht. Also ist «zu Mittach» irgendwann während des Nachmittags, 12   :   01 bis 18   :   00   Uhr? Oder «zu» Mittag, wenn der Mittag quasi «zu»macht und der Abend beginnt, ab 18   :   01   Uhr? Was macht am wenigsten keinen Sinn? Vielleicht ist ja «zu Mittach» doch Punkt 12, High Noon, der Zeitpunkt, wo schon
     im Wilden Westen die wahren Männer die wahrhaft wichtigen Dinge unter sich ausgemacht haben. Und Müsebeck |53| ist zu feige gewesen zu kommen. Oder hat es vergessen. Oder ist sich zu schade, wegen dieser «Neuen» auf das wohlverdiente
     «Zu-Mittach-Essen» zu verzichten.
    «Gut», verkünde ich, «wenn er dann später
zu Mittach
rumkommt, berede ich mit ihm, wie du und er, also wir, tun   … wegen dem Heu. Gut?»
    «Sehr gut, mein lieber Maaaaan», sagt Sonja. Thema beendet. In der Kommunikationslehre gibt es den Grundsatz: Wer fragt, führt.
     Ich habe den starken Eindruck, dieser Grundsatz sollte nochmal überdacht werden.
    Über die Schweiz sind viele Klischees im Umlauf, manche stimmen nicht, viele schon. Das mit der Pünktlichkeit stimmt definitiv.
     Ein Schweizer würde niemals sagen: «Ich schaue am Nachmittag mal vorbei.» Auch wenn er, A, weiß, dass der Aufzusuchende B
     sowieso den ganzen Nachmittag vor Ort ist, muss er folgendes Ritual abspulen:
    A: Du, äh, was ich fragen wollte, äh   … heute am Nachmittag, wann würde es dir da passen, dass ich da mal vorbeischauen könnte?
    B: Du, das ist mir gleich, du. Ich bin sowieso den ganzen Nachmittag hier, oder.
    A: Ja, sag’s halt! Mir ist es auch gleich, ich kann jederzeit vorbeischauen heute Nachmittag.
    B: Ja, du   … was soll ich da sagen   … sagen wir   …
    A: Ja   … sagen wir   … so vielleicht so am drei?
    Moment! Kurz die Stopp-Taste gedrückt für folgende Insider-Information: Schweizer sagen niemals
um
drei.
Um
bedeutet, der Uhrzeiger steht irgendwo im
Um-
Kreis der Drei.
Am
drei ist

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