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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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sauber und präzise, da klebt der Zeiger genau
am
Dreier und keinen Millimeter daneben.
    Weiter geht’s: Play!
    B: Ja, warum nicht am drei? Aber es ginge auch am vieri.
    |54| A: Ja, da ginge es mir auch! Dann wäre es dir also lieber am vieri?
    B: Nein, wie gesagt, es ist mir beides recht, am drei oder am vieri. Es ginge auch am eins, oder.
    A: Nein, am eins will ich nicht stören, da bist du womöglich noch am Mittagessen, und dann kommst du noch in Zeitnot, nein,
     nein, also am eins komme ich nicht, hä.
    B: Ja, gut, wenn es dir am eins nicht geht, sagen wir doch am drei oder aber am vieri.
    A: Weißt du was, machen wir es doch nicht komplizierter, als es ist, oder? Machen wir einfach einen Kompromiss, sagen wir
     am   … halbi vieri?
    B: Ja, genau, du, hä, das ist eine gute Idee, sagen wir am halbi vieri, wenn es dir dann passen würde.
    A: Ja, mir schon, aber du musst auch sagen, wenn es dir dann nicht passen würde, hä.
    B: Doch, mir würde es passen. Halbi vieri, abgemacht?
    A: Ja, machen wir doch am halbi vieri ab. Gut?
    B: Ja, gut, dann kommst du also am halbi vieri vorbei.
    A: Wunderbar, also bis heute Nachmittag am halbi vieri, dann.
    B: Jawoll, am halbi vieri.
    Und obwohl beide wissen, dass es beiden zu jedem Zeitpunkt dieses Nachmittags möglich wäre, sich zu treffen, wäre es eine
     unglaubliche Respektlosigkeit von A, erst um 15   :   31   Uhr oder völlig überraschend schon um 15   :   29   Uhr zu erscheinen. Aber keine Angst, er wird genau
am
15   :   30   Uhr erscheinen, und B wird das mit einem heimlichen Blick zur Wand, wo die satellitensynchronisierte Präzisions-Atom-Uhr hängt,
     befriedigt zur Kenntnis nehmen.
    In Brandenburg wird dieselbe Abmachung so getroffen:
    A: Ick komm zu Mittach ma rum.
    B: Jut!

|55| Bauer Müsebeck
    Seit einer Stunde rennen Sonja und ich auf dem Hof herum und streifen durch das Haus. Wo wir hingucken, sehen wir Arbeit:
     Als Erstes, das sage ich dir gleich, kommt statt des Gefängnistors ein schlichtes Holztor hin, und wenn wir da schon rumwerkeln,
     sanieren wir auch gleich die Hofmauer. Vorher machen wir aber noch das Scheunendach. Und wenn wir schon am Dachmachen sind:
     Die Asbest-Beton-Wellplatten auf dem schönen Stall werden natürlich durch Ziegel ersetzt. Und wenn wir schon dabei sind, sanieren
     wir den Eingang zum Keller. Der kriegt ein kleines Vorhäuschen, das den Aufgang zum Haus mit integriert. Vor das Wohnzimmer
     kommt eine große Holzterrasse, damit man direkt   … oder nein, das wird die Küche, wir reißen die Wand daneben raus, dafür machen wir in der jetzigen Küche ein Arbeitszimmer.
     Aber das Wichtigste: Der krankehundekackfarbene Verputz muss runter.
    «Dann ist das Allererste: Lottoschein kaufen», unterbricht Sonja meine Planspiele.
    «Und falls wir wider Erwarten nicht gewinnen sollten», erwidere ich, «machen wir das Ganze eben in kleinen Schrittchen.»
    |56| «Und womit fangen wir an?»
    «Mit einer Tasse Kaffee?»
    «Sehr gut!»
    «Ich serviere unterm Kirschbaum, gnä’ Frau.»
    Gerade haben wir uns auf Milhoffs zurückgelassenen Barock-Plaste-Gartenstühlchen Marke «Sommerschlösschen» niedergelassen,
     der Kaffee schwappt auf dem passenden Wackeltischchen über die Tassenränder, da schlagen die Hunde an.
    «Wo ist der Chef?», ruft eine Stimme. Das kann nur Bauer Müsebeck sein. Ein schneller Blick auf meine Schweizer Wegwerfuhr
     lehrt mich: «Zu Mittach» ist 17   :   42   Uhr. Aha, muss ich mir merken.
    Ich werde nervös. Immerhin der erste Besuch in unserer Wahlheimat. Der erste echte Amerikaner, der Bauer vom Ort noch dazu.
     Den kennt jeder, sein erster Eindruck der «Neuen» wird wahrscheinlich wie ein Lauffeuer die Runde machen. Ob er wohl «offiziell»
     gekleidet ist, wie ich das von den Bauern meiner alten Heimat kenne, die sich in etwas «Anständiges» werfen, wenn sie zum
     ersten Mal jemanden besuchen? Hätte ich mir doch eine dunkle Hose anziehen sollen und ein weißes Hemd? Oder wenigstens Schuhe,
     verdammt. Zu spät, da biegt er auch schon um die Hausecke.
    Ein kleiner, drahtiger Mann, braun gegerbt, wie sich das für einen Landwirt gehört. Kluge, listige Äuglein, sehr lebendig
     alles registrierend, breiter Mund, ein wissendes Grinsen. Auf seinem Kopf balanciert ein schwarzes Lederhütchen mit schmaler
     Krempe. Ich nenne diese Art Kopfbedeckung heimlich «Honegger»-Hütchen, weil der große Vorsitzende diese Hutform so sehr schätzte,
     allerdings in der kleinkarierten

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