Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht
der ganz wenigen privilegierten
Piloten, die nach der Landung zu Fuß nach Hause laufen können! Musst halt mit den Fliegern reden, ein paar Flugstunden nehmen,
dich an einem Kleinflugzeug beteiligen, zum Beispiel.»
Erstaunlich, denke ich, wie der potenzielle Lärm gleich weniger bedrohlich scheint, wenn man sich als künftiger Mitverursacher
fühlt. Interessant. Vom Opfer zum Täter – und schon fühlst du dich besser.
«Und was ist mit dem Land, das es nicht zu kaufen gibt?», stelle ich Sonjas Tatendrang auf die Probe. Sie ist um eine Antwort
nicht verlegen:
«Müsebeck ist Bauer, der lebt vom Land. Da wird er uns doch nicht auf die Nase binden, wer Land zu verkaufen hat. Landkäufe
sind eine heikle Sache. Wenn dieser Wessi-Banker nur mit der Kohle winkt und meint, es regnet Angebote, ist er offensichtlich
auf dem Holzweg. Das läuft anders, das weißt du. Erinnere dich an die Bauern-Nachbarn in der Schweiz. Der Jakob hätte sich
doch eher den Fuß ausgerissen, bevor er dem Egli sein Land verkauft hätte. Und Heiri hat er es dann zu einem sehr fairen Preis
überlassen.»
«Du könntest recht haben.»
«Das passt doch nicht zusammen, was Müsebeck erzählt. Einerseits |81| soll es kein Land geben, andererseits vermietet ein ehemaliger Bauer sein Land an die Technos, weil er es nicht mehr bestellen
kann. Wenn er’s nicht bestellen kann, was soll er damit? Vielleicht wartet er einfach, bis einer kommt, der ihm gefällt, der
der Richtige ist und an den er es mit gutem Gefühl verpachten oder verkaufen kann!»
«So jemand wie wir, meinst du?»
«Und warum nicht wie wir!»
Sonjas Hände sind längst nicht mehr unter den verschränkten Armen gefangen, sie haben sich befreit und unterstreichen kraftvoll
gestikulierend ihre Sätze. Sie hat sich von der Spüle gelöst und steht frei im Raum, wie eine das ganze Parlament mitreißende
römische Senatorin. (Ich weiß, es gab keine römischen Senatorinnen, aber hätte Sonja im alten Rom gelebt, es hätte sie gegeben,
da können Sie Gift drauf nehmen!)
«Danke, mein Schatz.» Ich nehme sie in die Arme. «Ich weiß, was du meinst. Nicht jammern, wie schlimm alles ist, sondern was
machen, damit es
nicht
mehr schlimm ist.»
Sie drückt sich ganz fest an mich und sagt neben meinem Ohr:
«Also, tun wir’s einfach.»
Bin ich nicht mit dem großartigsten Weib auf diesem Planeten gesegnet?
|82| Land in Sicht
Die Sonne steht schon zwei Handbreit über dem Horizont. Blaue Stunde. Die Hitze hat nachgelassen, ein sanfter Sommerwind animiert
die Blätter in den Bäumen unseres Gartens zu einem leise raschelnden Abendgetuschel. Die Grillen heben zu ihrer exotischen
Sommerserenade an. Am Himmel kreist ein Falke und ruft mit durchdringendem Schrei nach seiner Brutpartnerin. Schwalben zischen
in atemberaubender Akrobatik knapp über das Gras, stürzen aufwärts in den meeresblauen Himmel, folgen in wilden Manövern der
Choreographie, welche die Schwärme der Insekten vorgeben. Ihre spitzen Freudenpfiffe zerschneiden die güldene Luft.
Diese Informationen übermitteln die AUGEN dem Hirn. Empfehlung ans Hirn: Körper ins Gras legen lassen, in den Himmel starren,
Glückshormone ausschütten. Im Hirn aber herrscht große Irritation, denn die OHREN rapportieren ein ganz anderes Szenario:
Ein riesiger Raum. Keine Pflanzen, kein Tier, kein Himmel. Keller oder Fabrikhalle. Monströse Maschinen, die nichts produzieren
als Lärmschmerz. Menschenmassen, eingepfercht. Gestalten, sinnlos |83| zuckend im Bann der Hammerschläge, nicht vom Fleck kommend. Panzerketten zermalmen Schädel, Stahlpressen zerquetschen Gedärme,
riesige Fleischwölfe saugen gierig Körper in ihre grässlichen Trichter der Vernichtung. Tonnenschwere Ankerketten peitschen
durch den Raum, krachen an stählerne Wände, federn wieder von ihnen weg wie Riesenschlangen. Alles, was sich in Reichweite
dieser schrecklichen Tentakel befindet, zerplatzt, explodiert in ihrer durchschlagenden Wucht. Willkürlich plärrende Alarmsirenen
verstummen, kreischen erneut. Wem gilt der Alarm? Allem! Wo ist die Gefahr? Überall!
Dringende Empfehlung von Ohren an Hirn: Sofort alle verfügbaren Adrenalinschleusen öffnen, Körper auf Fluchtmodus hochfahren!
Das Hirn fragt die Nase und kriegt die Meldung: Die Augen haben recht, Gras duftet, Luft ist sauber. Die Nachfrage an die
Nerven ergibt: Die Ohren haben recht. Brustkasten- und Bauchdecken-Sensoren melden aufprallende Schallwellen,
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