Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht
dichtgemacht.
Und danach muss der Verkehr durch Amerika zur Bundesstraße. Weil, da ist ja ’ne Bahnschranke, da kann nichts passieren.»
Nein, nicht das auch noch!
«Wie viel Verkehr, schätzen Sie, wird denn das sein?» Eigentlich |72| will ich es gar nicht wissen, ich hab schon genug Hiobsbotschaften bekommen. Aber schon knallt er mir die Fakten hin:
«So vier- bis fünftausend Fahrzeuge pro Tag. Und das muss ich gar nicht schätzen, die haben ’ne Studie gemacht. Vier- bis
fünftausend am Tag. Ist Fakt.» Erwartungsvoll blickt er mich an.
Ich bin nur noch geschockt. Die Ortsnamen sagen mir gar nichts, aber die Zahl, diese gigantische Blechlawine! Ich werde zum
Schnellrechner: Von morgens sechs bis abends sechs sind zwölf Stunden, nehmen wir der Einfachheit halber 4800 Autos, sind pro Stunde 400 Autos, pro Minute also rund … sagen wir etwas mehr als sechs, also alle zehn Sekunden geht mein innerer Alarm! Das werde ich nicht ertragen, nein, dafür
wohnt man nicht auf dem Bauernhof am Lande, das mach ich nicht mit!
«Aber, da muss man doch was dagegen tun können!», rufe ich entsetzt.
«Haben wir versucht. Haben ’ne Eingabe gemacht beim Bürgeramt in Schmachthagen. Abgelehnt. Das kommt.»
Nein, das kommt nicht, sage ich mir. Ich werde eine Bürgerinitiative gründen, ich werde in den Zeitungen schreiben, ich werde
Sitzblockaden organisieren, ich werde mich selber auf den Asphalt nageln, ich werde … Ach, uns wird schon was einfallen, aber diese Blechkarawane wird nicht an meinem, MEINEM Haus auf dem Land (auf dem Land,
ha!) vorbeidonnern. Das schwöre ich.
«Bis Herbst ist noch lang. Da wird sicher was möglich sein», versuche ich entschlossen zu klingen.
Die tapfere Sonja stimmt in den Zweckoptimismus ein:
«Das werden wir erst noch sehen, dass die so viele Autos durch ein Dorf lotsen, statt den gefährlichen Übergang einfach auch
mit einer Schranke zu sichern. Das wäre ja absurd.»
Hurra! Sonja hat recht, den anderen Übergang sicher machen, klar, das ist die Lösung. Ich fasse Mut. Alles andere wäre ja
wirklich |73| absurd! Aber Müsebeck legt die Stirn in Falten, macht runde Augen, schüttelt den Kopf und seufzt. Das Bildnis eines leidgeprüften
Mannes, der sich nur zu gut auskennt in Absurdistan.
«Na, wenn Sie meinen, viel Glück», sagt er.
«Noch ein Käffchen?» Sonja hat sich großartig im Griff.
«Nee.» Unser Gast schweigt. Lässt wirken. Scheint in Gedanken versunken. Plötzlich, als erinnerte er sich, dass er in Gesellschaft
unter dem Kirschbaum sitzt, fragt er:
«Was haben Sie denn angebaut auf Ihrem schönen Hof in der Schweiz?»
«Also, das war nur ein Resthof mit ganz wenig Land», beeile ich mich, sein Bild zurechtzurücken. «Sehr hügelig, da konnten
wir nur die Tiere weiden lassen und ein wenig Heu für den Winter einbringen.»
«Und hier wollen Sie das auch so machen, so hobbymäßig, nehme ich mal an?»
«Na ja, wir werden sehen», sage ich, «wir wollen es langsam angehen. Erst mal schauen, wie wir das mit unseren Berufen und
mit der Arbeit hier am Hof hinkriegen. Einer hätte immer hier zu sein, das müssten wir alles erst organisieren, aber langfristig,
wenn alles gut läuft, könnte das wieder ein aktiver kleiner Bauernhof werden, schon, doch.»
«Wär ja toll», lautet sein Kommentar. Ich kann keinen Spott heraushören, aber auch keine Zustimmung. Sehr neutral, sein «wär
ja toll». Da schlummert ein echtes diplomatisches Talent, ein Meister des Sich-bedeckt-Haltens. Der ist sicher ein guter Verhandler,
denke ich, wer mit Müsebeck Geschäfte macht, muss sich warm anziehen.
«Und in welche Richtung würde das dann, wenn alles gut läuft, so gehen?», bohrt Müsebeck nach. «Grünland? Acker? Gemüse? Bio?»
«Wie gesagt, Herr Müsebeck, das ist alles noch völlig unausgegoren, |74| aber wenn wir was machen, ja, wenn, dann schon Bio natürlich.»
«Ach», stöhnt er, als würden seine schlimmsten Befürchtungen wahr, «das mit diesem Bio, das funktioniert doch hier nicht.
Da dürfen Sie ja nicht mal richtig düngen! Jetzt gucken Sie sich doch die Böden mal an: die reinste Sandbüchse. Wenn Sie da
nicht ordentlich Dünger draufschmeißen, wächst doch nix. Und das wenige frisst ihnen das Ungeziefer weg. Sind ja total karg,
die Böden, ‹Brandenburger Streudose›, noch nie gehört? Heißt so, weil das hier der reine Sand ist. Ohne ordentliche Stickstoffdüngung
können Sie bei uns vielleicht
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