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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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Stall. Keine Zeit zum Träumen, ich weiß ja jetzt, der
     Fuchsbau liegt verdammt nahe am Hof! Ich laufe zum original Moor-Art-Entenstall, kann gut sein, dass sie schon selber reingegangen
     sind. Zumindest werden sie in dessen Nähe warten, bis mein «Gang äntli hei, Äntli» erklingt.
    Aha, vor dem Verschlag sind sie nicht. Also schon drin. Sicherheitshalber luge ich durch die Öffnung. Dunkel. Vorsichtig taste
     ich hinein. Ich bin sicher, gleich werde ich das aufgeregte «Gmää, gmää, gmää» hören, weil ich sie störe. Nichts. Verdammt.
     Ich taste weiter mit der Hand den Strohboden ab, obwohl ich schon weiß: Da ist keine einzige Ente   …
    Wir haben sie uns damals auf dem Berghof angeschafft, weil wir der Nacktschneckenplage im Garten nicht mehr Herr wurden. Sämtliche
     Großmuttertricks zur Schneckenvernichtung fanden wir abscheulich. Weder das Ersäufen in mit Bier gefüllten Joghurtbechern
     noch das Zerschneiden mit Schere oder Messer oder andere, ähnlich barbarische Methoden kamen in Frage und Schneckengift |90| schon gar nicht. Aber den Salat wollten wir dennoch lieber selbst essen.
    Den rettenden Tipp gab uns eine Nachbarsbäuerin: «Schafft euch doch Enten an!» Sonjas Einwand, dass Enten ja ebenfalls gerne
     Salat fräßen und man den dann gleich den Schnecken überlassen könne, wischte die alte Frau weg. «Ihr müsst indische Laufenten
     nehmen. Die gehen nicht an die Pflanzen, die fressen nur Gras und Schnecken. Aber Achtung: Niemals Salat füttern, sonst kommen
     sie auf den Geschmack, und dann natürlich   …»
    Wir beschlossen, es zu versuchen. Nicht, ohne dass Sonja angedroht hatte, den Tieren eigenhändig den Hals umzudrehen, wenn
     sie es wagten, sich an ihren mühsam selbstgezogenen Pflänzchen zu vergreifen. Die Enten würden unsere ersten Nutztiere sein.
     Bis dahin hatten wir mit Pferd, Esel, Katz und Hund nur Liebhabtiere. Da ich zum – meiner damaligen Meinung nach – dummen
     Federvieh keinen besonders innigen Draht hatte, war die Vorstellung, ab und zu eine Ente zu schlachten und sie in Form eines
     knusprigen Bratens zu verspeisen, für mich überhaupt kein Problem. Nutztiere eben.
    Zu meinem Erstaunen fand ich nur mit Mühe einen Laufentenzüchter. Wenn das solche Wunderwaffen gegen Schnecken sind, müsste
     doch jeder Gartenbesitzer welche haben! Noch dazu, wenn diese spezielle Entenart nicht mal einen Teich braucht, weil sie Wasser
     gar nicht mag, wie mir der Mann am Telefon versichert hatte. Und richtig, seine Laufenten tummelten sich in einem Gehege ohne
     Wasserfläche auf nackter Erde, genau wie Hühner. Ich nahm ein Pärchen mit. Wir zogen einen niedrigen Maschendrahtzaun vom
     Stall über ein kleines Stück Rasen und rund um den Teich. Sie würden zwar nicht darin schwimmen wollen, wie ich ja gelernt
     hatte, aber ich vermutete, dass der feuchte Uferbereich das Hauptbrutparadies der Schnecken sei.
    |91| Wir setzten das Transportkistchen mit den Laufenten ab, öffneten den Deckel und zogen uns zurück. Vorsichtig reckten die Tiere
     ihre Hälse über die Kistenwand – wie zwei gefiederte Periskope, die aus einem hölzernen U-Boot ausgefahren werden. Sie scannten die Umgebung in alle Richtungen. Plötzlich explodierte das U-Boot und spie eine Ladung Gefieder aus seinem Inneren senkrecht nach oben. Wildes Geflatter, unsanfte Landung, und dann machten
     die Laufenten ihrem Namen alle Ehre: In irrwitzigem Tempo rasten sie Richtung Teich, sprangen vom Ufer ab, schnellten, vom
     eigenen Schwung getragen, über die Wasseroberfläche, schlugen wild mit ihren Flügeln, sich selbst in einen kleinen Tornado
     aus Gischt hüllend, tauchten, schwammen. Ich weiß nicht, wie viel Glück in so eine Ente reinpasst, aber die hier liefen Gefahr,
     vor Glück zu platzen. Sie schrien vor Freude. Ein nasales, langgezogenes Quäken, einem Kazoo nicht unähnlich. «Gmääää, gmääää,
     gmäää, gmäääää». So viel zum Thema «Laufenten mögen kein Wasser»!
    Der Mensch ist ein unverbesserlich ignorantes Tier. Er redet sich erfolgreich ein, dass die Mitwesen dieser Erde es eh genau
     so wollen, wie es ihm, dem Menschen, am bequemsten ist. Er vertauscht konsequent seine Wunschvorstellung mit den Bedürfnissen
     der Tiere.
    Es wäre praktisch, wenn es Enten gäbe, die keinen Teich brauchen, darum mögen Laufenten kein Wasser.
    Es ist viel einfacher, Kühe drinnen zu melken, darum sind sie lieber im muffigen, fliegenverseuchten Stall als draußen auf
     der offenen Weide.

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