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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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Strandkörbe vermieten, aber kein Grünzeug anbauen.»
    Wir könnten einwenden, dass seine Methode die Böden immer weiter auslaugt. Dass wir das genaue Gegenteil wollen. Dass wir
     vorhaben, über Jahre hinweg die Humusschicht mit naturnahem Wirtschaften wiederaufzubauen. Dass wir den Ertrag nicht kurzfristig
     messen, sondern auf Nachhaltigkeit setzen, um dann langfristig auch auf unseren Ertrag zu kommen.
    Aber ich habe keine Lust auf eine Grundsatzdiskussion, schon gar nicht mit einem Mann, der die hiesigen Böden im Gegensatz
     zu mir sehr gut kennt. Und was er über diese Böden sagt, das beunruhigt mich doch, Bio hin, konventionell her. Ich habe ja
     vorhin selbst gesehen, wie furchtbar die Wiesen unter der Trockenheit leiden. Und wenn der Boden wirklich so sandig ist, kann
     er, wenn der ersehnte Regen denn endlich kommt, keine Feuchtigkeit speichern, um die nächste Trockenphase zu überstehen. Die
     «Streudose»   … auweia. Was nützt es, doppelt so viel Land zu haben wie in der Schweiz, wenn es nur einen Bruchteil davon abwirft?
    «Na, wir werden ja sehen», werfe ich mit gespielter Leichtigkeit hin. «Mittelfristig müssen wir uns vielleicht ein wenig vergrößern.
     Also wenn Sie hören sollten, dass jemand Land zu verkaufen oder zu |75| verpachten hat, wir wären möglicherweise interessiert.» Vielleicht trägt er sich ja selbst mit dem Gedanken, den einen oder
     anderen Fleck zu veräußern, wer weiß? Wäre doch ein guter Anfang, gleich am ersten Tag zu wissen, bei wem wir, falls mehr
     Land   …
    «Das schminken Sie sich am besten gleich ab», zerschmettert Müsebeck jäh meine Hoffnung. «Hier verkauft keiner, da gibt es
     gar nichts. Keine Chance.» Er sagt «Schangse».
    Der taktiert doch nur, will herausfinden, wie viel wir denn überhaupt bereit wären zu zahlen, überlege ich. Aber Müsebeck
     kann ja Gedanken lesen.
    «Ist keine Taktik jetzt von mir, wirklich, können Sie gerne jeden fragen, hier gibt’s kein Land. Der Raubritter, äh, ich meine
     der Wessi-Banker, der sich das Schloss untern Nagel gerissen hat für ’n Butterbrot und ’n Ei, der will da ja Trakehner züchten
     und sucht auch verzweifelt Land für seine Gäule. Der weint hier doch alle an wegen Land, seit Jahren. Der würde jeden Preis
     zahlen, wenn er nur ’n paar Hektar kriegen könnte. Aber er kriegt nix, gar nix. Weil da nix ist. Muss er mit leben.» Müsebeck
     hebt bedauernd die Arme und wirft mit seinen Händen imaginären Sand hinter sich.
    Gleichzeitig wirft jemand eine riesenhafte Baumaschine an. Eine Pfahlramme gigantischen Ausmaßes. Dumpf und schwer, in schneller
     Folge dröhnen die Hammerschläge in dicken Schallbündeln über den Hof und das Dorf hinweg. Wumm, wumm, wumm, wumm. Der Rhythmus
     erinnert an einen monströsen Stahlriesen, der im Laufschritt auf uns zudonnert.
    «Die Techno-Party ist angelaufen», lautet Müsebecks trockener Kommentar. Er hebt die Stimme nur ganz leicht. «Denn will ich
     mal weiter. Danke für den Kaffee. Ach so ja, das Heu! Das mach ich Ihnen. Wir pressen es in kleine Bündel und schmeißen sie
     gleich auf Ihren Heuboden überm Stall. Gut?»
    «Ja gern», rufe ich über das Gewummere. Ich registriere, dass |76| die Hunde die Schwänze einziehen und unter dem lächerlichen Tischchen Zuflucht suchen. «Äh, wie regeln wir das finanziell,
     Herr Müsebeck?»
    «Machen Sie sich mal keinen Kopf, da werden wir uns schon einig», winkt er ab. «Also denn, schönen Abend noch», und im Gehen
     an die Hunde gewandt: «Ihr gewöhnt euch schon, ihr gewöhnt euch.» Fast ist er wieder hinter der Hausecke verschwunden, als
     er sich noch einmal umdreht, an sein Hütchen tippt und im Verschwinden ruft: «Herzlich willkommen in Amerika!»
    Er schafft es, das wirklich herzlich klingen zu lassen und kein bisschen ironisch.

|77| Opfer und Täter
    Sonja und ich tragen das Geschirr unseres Kaffeekränzchens ins Haus. Der 24/​4 8-Stunden -Marathon des stählernen Riesen ist selbst in der Küche bestens präsent. Im Augenblick rennt der Techno-Roboter allerdings
     nicht, es hört sich eher an, als würde er auf einer heißen Herdplatte stehen und sich die Sensoren an den Metallfüßen durchschmoren
     lassen: Zchzchchchch   … Prock   … Zchzchchchch   … Prock   … Zchzchchchch   … Prock   …
    Während wir in der lächerlichen Designer-Minispüle die Tassen waschen, lassen wir ergeben die quälenden Misstöne des malträtierten
     Soundmonsters über uns ergehen. Ohne Worte.

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