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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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aus dem Gartencenter.
    Das Alte darf wohldosiert und gezähmt weiterleben: In den ehemaligen
alten
Bauerngärten glitzern Weihnachtskugeln. Ein
alter
Pflug steht, akkurat mit Silberfarbe bepinselt, in der Hofeinfahrt. Das eine oder andere
alte
Pferdekummet hängt malerisch über dem Eingang. Der
alte
Dorfbrunnen plätschert, die
alte
Dorflinde daneben ist amtlich geschützt durch einen olivgrünen Eisenzaun, die |112| neuen Parkplätze drum herum sind nummeriert und fix vermietet. Wehe, wenn da ein anderer   …! Jede Meise und jedes Rotkehlchen hat ein eigenes, regelmäßig vom Verein der Singvögelfreunde gewartetes Vogelhäuschen,
     und nachdem sie zu Tode gefüttert sein werden, wird man sie unbemerkt ersetzen durch winzige Hightech-Lautsprecherchen, die
     dann in den Bäumen zwitschern.
    An den Wochentagen herrscht in den Schlafdörfern eine unheimelige Ruhe.
    Die Männer sind weg: Sie verdienen im Stadtbüro das Geld fürs Landleben.
    Die Kinder sind weg: In der Schule der größeren Nachbargemeinde werden sie zugerichtet für die Herausforderungen des Lebens.
    Die Frauen sind weg: Mit dem Zweitgeländewagen auf der Jagd nach noch mehr schönen
alten
Sachen, mit denen sich die schönen neuen Lofts und Ateliers hinter den schönen
alten
Fassaden noch schöner auf
alt
trimmen lassen.
    Ruhe herrscht über allen Biberschwanzdächern bis zum Abend. Dann versammeln sich die von professionellen Paarberatern zusammengeschweißten
     Kleinfamilien an ihren echt alten Echtholztischen, genießen die bodenständigen Rösti aus dem Tiefkühler und die «backfertig
     vorgewürzten» Keulen von Hähnchen, die in irgendeinem Nicht-Schlafdorf gelebt haben, glücklich natürlich, weil «natürlich»
     glücklich macht. Dazu gibt es den Biosalat, den die Männer vom «Original-Bauernmarkt» aus der Stadt mitgebracht haben und
     den die Frauen in altem Balsamico aus Palermo und kaltgepresstem Olivenöl aus der Toscana ersäuft und mit jahrmillionenaltem
     Salz aus dem Himalaja noch gesünder gemacht haben. Nach Einverleibung solcher ökologisch und politisch korrekten Körper-fit-halte-Brennstoffe
     erstrahlen die Energiespar-Kunststoff-Sprossenfenster des Schlafdorfes für ein paar Stunden im |113| traulichen Geflacker der Video-Beamer und Flachbildschirme: Feier-Abend.
    Erbauung. Satt zufriedene Entspannung.
    Sanft gleitet die Ruhe des Tages über in die Ruhe der Nacht. Gestört wird sie allenfalls durch eine vernünftig und rücksichtsvoll
     geführte Diskussion die wurmstichig morsche Küchenvitrine betreffend, welche die Frau sich wieder mal zu einem schamlosen
     Preis als «Antiquität» hat andrehen lassen. «Der Händler hat aber garantiert   …» – «Blödes Beeri, du gibscht sie morgen retour, gäll!»
    Die Nachtruhe hält ohne weitere Dissonanzen an, bis am nächsten Morgen die italienischen Espressomaschinen den Kick für den
     Tag aus sich herausschwitzen, die Defenders und Range Rovers aus den schönen, echtbienenwachslackierten alten Holzschuppen
     mit den gutgeölten handgeschmiedeten alten Torscharnieren gefahren werden und die Öko-Waschgang-Geschirrspüler in verwaisten
     Edelstahlküchen diskret vor sich hin grummeln.
    Tages-Ruhe. Den ganzen Tag. Jeden Tag.
    Nur samstags pulsiert emsiges Leben: Da knattern wohltuend unpassend die Aufsitzrasenmäher und Laubstaubsauger. Von Punkt
     13   :   30 bis Punkt 16   :   00   Uhr.
    Am Sonntag herrscht die wichtigste und heiligste aller Schlafdorf-Ruhen: die Sonntagsruhe. Selbst die Kinder verstummen dann
     bis zur Nichtexistenz. Sie erleben, per Kopfhörer angepluggt an ihre PCs, endlich was Richtiges: Blut spritzt, Städte verglühen,
     Helden zerplatzen – der ganz normale virtuelle Ponyhof. Die lieben Kinderchen sind still und leis beschäftigt, und keinem
     Erwachsenen wird die Freude am Leben auf dem Lande durch Geräusche der Lebendigkeit verdorben.
    Amerika ist KEIN Schlafdorf!
    Es könnte vielleicht einmal eines werden, wenn die Amerikaner nicht aufpassen. Aber noch ist es nicht so weit. Es sind zwar
     die |114| ersten Künstlerinnen hier, eine Schweizer Schriftstellerin, die drüben im Kutscherhaus des Schlosses wohnt, und eine preußische
     Fotografin, die sich jenseits der Pfuhle mit ihrer Lebensabschnittspartnerin in eine kleine Kate eingemietet hat. Aber alle
     drei sind (noch) nicht ausreichend etabliert, als dass von ihnen eine Gefahr der «Verschönerung» ausgehen würde.
    Wenn, dann schon von diesem Berliner Architekten. Hat eine alte Scheune

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