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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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und herpeitschend, um dann mit einem explosionsartigen seitlichen Ausfallsprung ins Laufen zu kommen
     und in wildem Wirbel Momo und Zora zu umkreisen. Die nahmen die Spielaufforderung gerne an, und der Garten verwandelte sich
     für die drei Hunde in ein Fangenspielparadies.
    Schwester Alma hielt sich nicht lang mit Smalltalk über Wetter, Hunde und Weltpolitik auf, wie das in der Schweiz üblich gewesen
     wäre. Sie nahm uns ohne Umschweife ins Verhör. Wer seid ihr, warum kommt ihr ausgerechnet nach Amerika, was habt ihr hier
     vor? Nach Bauer Müsebeck erhielten wir durch sie die zweite Lektion in Sachen brandenburgische Direktheit. Und wie Müsebeck
     wollte sie vor allem wissen, was mit dem Hof sein würde.
    Als wir Andeutungen machten, dass wir versuchen wollten, den Hof langsam wieder zu reaktivieren, sagte sie:
    «Dann machen Sie mal hin, meinen Segen dazu haben Sie! Sie müssen wissen, Ihr Hof war früher einer der reichsten im Ort, nach
     der Landwirtschaft vom Schloss natürlich. Außer Ihrem Hof gab es hier früher fast 20 weitere Bauern. Kleine Höfe zwar – reich
     ist da keiner geworden   –, aber jeder hat sich sein Auskommen erwirtschaftet, und jeder war sein eigener Herr   …» Sie blickte nachdenklich zur kleinen Scheune, die den Garten zum offenen Feld hin abgrenzte. Dann seufzte sie und stellte
     fest: «Nu sind se alle weg. Wurden alle von der LPG aufgesaugt, und dann ging die ja nach der Wende selber pleite.»
    «Und das hier», fragte Sonja, «war das der Hof Ihrer Eltern, damals?»
    «Nein, wir hatten keine Bauern in der Familie. Hier haben die Eltern von meinem Hans gewirtschaftet. Er hat mir den Hof vererbt.»
    «Ihr Mann war also Bauer?», fragte ich.
    «Na, mein Mann in dem Sinne war er nicht direkt. Wir waren |134| unverheiratet. Nur zusammen.» Schwester Alma schaute uns geradeheraus an, prüfte unsere Reaktion. «Ich hab ihn sehr gern gehabt,
     meinen Hans», fuhr sie fort. «War ein guter Mann und hatte sein Herz am rechten Fleck. Und   …» – jetzt breitete sich ein spitzbübisches Grinsen auf ihrem Gesicht aus – «er hat sich von keinem was sagen lassen, sich
     von keinem unterkriegen lassen. Von keinem!»
    «Dann war er ein Ausnahmemensch, Ihr Hans», warf ich ein. «Von keinem   …!»
    «Das können Sie laut sagen», schnaubte Schwester Alma, «die meisten haben einfach zu viel Schiss. Zogen den Schwanz ein vor
     den Nazis, denn vor den Russen und jetzt vor den Wessis. Sie glauben ja nicht, wie schnell manch einer das braune Hemd auf
     den Müll warf und schwups mit ’ner roten Fahne auf der Dorfstraße herumstolzierte. Mein Hans nicht. Der nicht.»
    Sie füllte unsere Teegläser nach. Und dann begann sie zu erzählen.

|135| Hansens Rache
    Schwester Alma hat immer schon großen Wert auf ihre Selbständigkeit als berufstätige Frau und alleinerziehende Mutter gelegt.
     Was aber nicht bedeutet, dass sie ihr Herz versteinern ließ und wie eine Nonne lebte. Sie hat eine langjährige Liebe in Amerika
     gehabt, eben Hans. Nach dem Krieg hatte er die kleine Landwirtschaft seines Vaters übernommen. Dieser war von der glorreichen
     Armee des Tausendjährigen Reiches eingezogen worden und nicht mehr heimgekommen. Verschollen. In den frühen fünfziger Jahren
     erklärte man ihn dann offiziell für tot.
    Wie alle Bauern wurde auch Hans vom Arbeiter- und Bauernstaat heftig umworben, in die LPG, die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft,
     einzutreten. Doch Hans wollte davon rein gar nichts wissen. In Sachen Freiheitsliebe stand er Schwester Alma in nichts nach.
     Er liebte es, den Hof in Eigenregie zu betreiben – wohl auch im Andenken an seinen Vater   –, auf eigenem Grund und Boden zu wirtschaften und damit sein Auskommen zu bestreiten. Er wollte kein Lohnempfänger sein –
     und schon gar kein Befehlsempfänger.
    |136| Die Partei begann, Autos nach Amerika zu schicken, sogenannte Lautsprecherwagen. Die fuhren im Schritttempo an jedem einzelnen
     Haus vorbei und verkündeten zwischen Parteiparolen und Marschmusik penetrant dröhnend und scheppernd, dass der und der Bauer
     in Amerika sich nunmehr entschlossen habe, seinen Beitrag für die strahlende Zukunft des Arbeiter- und Bauernstaates zu leisten
     und als vorbildlicher Genosse um Aufnahme in die LPG gebeten hätte. Leider seien jedoch diese und jene Hofbesitzer noch nicht
     zur rechten Einsicht gekommen, die Partei sei aber zuversichtlich, dass auch diese Zögerer und Boykotteure in Bälde überzeugt
    

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