Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
Vom Netzwerk:
mal mit dieser Milch als Sortimentserweiterung.»
    «Großartig, Frau Widdel, super, eine gute Entscheidung!», machte ich in reinstem Motivationstrainerton.
    «Das ist noch nicht wirklich raus, ob das gut kommt.» Sie schaute die Kasse an, doch das Kröten-Orakel schwieg.
    «Das kommt gut, Frau Widdel, gut, gutgutgutgut.» Es klang, als wollte ich ein Täubchen anlocken. «Eines müssen Sie mir aber
     jetzt erklären, Frau Widdel: Ich begreife nämlich nicht, warum ich
diese
Milch
nicht
mitnehmen können soll? Das ist nicht nachvollziehbar, da steht sie doch im Regal, und ich bin Kunde, und wenn ich als Kunde   …»
    «Die könn Se ja haben, mein Gott.» Frau Widdel winkte mich an, als wäre ich ein zu schnelles Auto, das sie bremsen müsste.
     «Nu beruhigen Sie sich doch, Herr Moor. Nur die Milch für Hanne können Se nicht mitnehmen, die ist weg, die hat doch mein
     Sohn getrunken, Sie hören mir aber auch gar nicht zu!»
    Seither gibt es in Frau Widdels Laden Milch ohne «H». Sie holt nie mehr als vier Liter. Aber ist man früh genug da, also in
     der ersten halben Stunde nach Ladenöffnung, wenn Frau Widdel noch den Zeitungsständer einräumt, dann kriegt man vielleicht
     sogar eine Flasche ab. Es sei denn, die ist schon für Schwester Alma reserviert oder eine andere autolose Amerikanerin.
    Die autolosen Amerikan er schwören jedoch bis heute weiterhin und unverbrüchlich auf – Bier.

|259| Feuerwehr
    «Wir gehen da natürlich hin», sagt Sonja.
    «Aber ich kenn da doch gar keinen», flüstert der kleine Schweizer in mir. Laut, den kleinen Schweizer übertönend, erwidere
     ich: «Das ist doch klar, dass wir dahin gehen, was dachtest du denn?»
    Sonja stellt sich direkt vor mir auf. «Dass du dich drückst. Weil du da ja angeblich gar keinen kennst.»
    Ach, wer hat gleich nochmal gesagt, es sei für eine Beziehung wichtig, dass man auch kleine Geheimnisse voreinander haben
     dürfe? Wie, frage ich, soll das gehen, wenn einen die eigene Frau so total durchschaut? Antwort: Indem man das entdeckte Geheimnis
     für nicht existent erklärt – «nie existent gewesen, völlig absurd» – und es ganz im Geheimen als Geheim-Geheimnis tief in
     den tiefsten Abgründen seiner Seele versteckt hält und dort weiterpäppelt. So wie ich meinen kleinen Schweizer.
    «Ich? Mich drücken?», rufe ich empört. «Wovor denn? Ist mir doch egal, wenn ich dort keinen kenne. Schließlich kenne ich ja
     dich, und du kommst ja mit   …» . («Oder?», vergewissert sich der kleine Schweizer.)
    |260| «Alles klar, mein lieber Maaaan. Wir werden einfach kurz rüberschauen und nette Nasenlöcher machen, und das war’s dann auch
     schon.»
    «Auf keinen Fall will ich Bier trinken oder so. Nur ein bisschen gucken und tschüs», kündige ich an.
    «Klar, dachtest du,
ich
will mich niedersaufen?», erwidert Sonja. «Aber lass uns vorher was essen, mir knurrt der Magen. Ich muss sofort was zu beißen
     haben, sonst breche ich auf der Stelle zusammen.»
    «Ich glaube aber, es wird erwartet, dass wir dort essen, Sonja. Die machen das Feuerwehrfest doch, damit Geld in die Kasse
     kommt. Die brauchen Umsatz, da sollten wir gute Feuerwehrfest-Bratwurst-Konsumenten sein.»
    «Gut, dann machen wir das so. Wir müssen aber sofort los, ich brauch die Wurst jetzt.»
    «Was, gleich jetzt? Aber ich wollte doch vorher noch   …», meldet sich der kleine Schweizer wieder, diesmal so laut, dass Sonja ihn gehört hat.
    «Nun sei nicht kompliziert und fremdele nicht», befiehlt sie. «Abmarsch!»
    «Äh, Moment, was   … Ich meine, wie zieht man sich denn   … Du meinst, wir gehen einfach rüber, so wie wir gerade sind?»
    «Na, im Anzug würdest du unangenehm auffallen, komm jetzt. Huuuunger!», quäkt sie und marschiert Richtung Hoftor.
    «Warte», rufe ich ihr hektisch hinterher. Immer dieses österreichische Spontantempo, das macht mich ganz kribbelig. «Hast
     du Geld eingesteckt? Und genug Zigaretten? Und hast du ein Feuerzeug dabei?»
    «Du bist der Mann, du hast alles.»
    «Warte, dann muss ich   …»
    «Huuuuuuungeeeer!»
    |261| «Ja, ich bin   …» Ich renne ins Haus, suche Geld, grapsche die Fluppen. Feuerzeug ist wieder mal weit und breit keines in Sicht. Ich stürze
     mich zur Flurgarderobe, klopfe mit der Behändigkeit eines CI A-Agenten alle dort hängenden Kleidungsstücke ab, finde in Sonjas Schäferinnen-Thermohemd vier (!) Feuerzeuge, hechte über die Stufen
     zur Eingangstür hinab und stehe neben Weib und Hunden.

Weitere Kostenlose Bücher