Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht
Feier-Abend. Ich blicke mich um. Also ein paar sind immerhin hier, die ich schon kenne: Teddy natürlich und seine
Brüder, eine imposante Gruppe. Große Kerls, kräftig, schwer. Vor meinem inneren Auge tauchen Bilder der alten Germanen auf.
Ich sehe Hundertschaften solcher Teddybrüder-Brocken durch den Teutoburger Urwald stampfen. Und ich sehe das römische Heer:
kleine, zierliche Italiener, die unter ihren viel zu schweren Panzern über das regennasse Laub rutschen. Ich sehe, wie plötzlich
Riesen-Teddys zu Hunderten durch das Unterholz brechen und sich mit |264| Gebrüll auf die Römer stürzen, «hoo, hooo, hooooch leben die Nullen».
Die armen Römer.
Da drüben stehen Krüpki und seine Lotte, und da ist Schwester Alma, die gerade ein Backblech voll mit Kuchen über die Wiese
balanciert und es sorgfältig neben dem Grill absetzt. Sieht gut aus, hoffentlich bleibt nach Steak und Wurst noch Platz für
solche Nachspeise. Müsebeck ist nicht zu sehen, dafür erstaunlich viele Gesichter, die mir bekannt vorkommen. Ist das dort
nicht die Tochter der Familie im ehemaligen Schulhaus? Und die Damen dort beim Bronzehengst, die hab ich doch schon öfter
bei Frau Widdel … Und den Präsidenten vom Fußballclub, den hat mir Sonja mal vorgestellt, der redet gerade mit der Frau von … na, jetzt weiß ich gerade nicht, aber die kenne ich auch.
Wird ja langsam.
Ich bemerke, dass Sonja hierhin grüßt und dorthin zurückwinkt. Sie scheint schon mit halb Amerika auf Du und Du zu sein. Plötzlich
springt sie auf, verlässt den Tisch und umarmt eine Frau, die ich noch nie gesehen habe. Ist das vielleicht die Pferdeflüsterin
aus dem Nachbarort, von der sie mir erzählt hat?
«Du musst mit Sonja einen Karteikasten anlegen», flüstert der kleine Schweizer, «da machst du eine Akte mit Foto von jedem
einzelnen Menschen, den Sonja kennt. Das lernst du dann auswendig, und dann kennst du auch alle!»
«Quatsch, hier hat es mehr als genug Akten gegeben über jeden einzelnen Menschen, lass mich einfach in Ruhe, kleiner Schweizer,
wenigstens für heute, geht das?»
«Na, Meister Moor, lass es dir schmecken!» Krüpki setzt sich auf Sonjas verwaisten Platz. «Ist da noch frei?», fragt Lotte
und lässt sich gegenüber nieder.
«Nächstes Jahr wirst du wohl selber hier am Grill stehen mit den |265| Koteletts von deinen ollen Schafen», kräht Krüpki, «da kriegen die Amerikaner mal was Ordentliches zwischen die Zähne, nicht
immer diesen Scheißkram vom Großmarkt!»
«Danke für die Vorschusslorbeeren, Krüpki, aber ich weiß ja noch gar nicht, ob unsere Böcke überhaupt schmecken.»
«Ach, habt ihr noch nicht geschlachtet?», wundert sich Lotte.
«Die sind doch erst diesen Winter geboren», klärt Krüpki sie an meiner Stelle auf, «die haben noch kein Fleisch auf den Knochen,
Frau!» Er langt über den Tisch und kneift Lotte in die Seite.
«Also, Herr Krüpke!» Sie schlägt mit gespielter Empörung seine Hand weg. «Lassen Sie gefälligst diese Zudringlichkeiten!»
«Na ja, wollt ja nur mal nachsehen, ob de schon genussfertig bist, wa?» Er zwinkert mir zu.
«Also, wirklich, bin ich vielleicht dein Schaf, oder was?»
«Nö, das bist du nicht, mein Lämmchen.»
«Määähhh», blökt ihn Lotte ärgerlich an, um dann in unser Lachen einzustimmen.
«Hör mal, Schauspieler, ich hab dich ja schön Frühjahrsputz machen sehen auf deinem neuen Land, hoch zu Hürlimann, wa?»
«Ja, die Schafe haben brav gedüngt über den Winter.»
«Haste hübsch die Schafscheiße verrieben, mit deiner Wiesenschleppe, wa? Det ist der beste Dünger, genauso gut wie Pferdeäpfel,
da wächst das Gras auf wie bescheuert.» Krüpki beugt sich vertraulich zu mir herüber. «Sag mal, kannste nicht die Tage bei
mir mal kurz über die Koppel drüber mit deiner Schleppe? Das sieht jetzt nämlich zum Kotzen aus bei mir nach dem Winter mit
der ganzen Pferdescheiße, da muss sich einer ja schämen. Ich könnt auch mit meiner Egge, aber die reißt mir immer die Grasnarbe
mit raus, und das ist ja auch scheiße, wa?»
«Mach ich gerne, Krüpki, kein Problem.»
«Jut, ist geritzt. Und wenn ihr das nächste Heu macht, komm |266| ich zu euch rum, damit was weitergeht. Ballen werfen, det mach ich nicht mehr, aber ich komm mit meinem Treckerchen und dem
großen Hänger, und denn geht das mit dem Einbringen doppelt so schnell. Det machen wir so, wa, wär ja gelacht!»
«Gemacht», sage ich.
«Prost», sagt
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