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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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halten? Wie konnten die Jungtiere einen Temperaturunterschied von
     50   Grad überleben, zwischen dem warmen Mutterleib und der schneidend kalten Winterluft? Diese Erstgebärende hatte es ja klug
     gemacht, hatte ihr Lamm in das warme Stroh des Stalls gelegt und es schnell trocken geleckt. Aber würden es die anderen ebenso
     halten? Was sollte Sonja nur machen? Alle trächtigen Mütter in den kleinen Stall sperren, vorsorglich? Die würden doch durchdrehen,
     sich gegenseitig tottrampeln, jetzt, wo sie die Freiheit der Offenstall-Haltung lieben gelernt hatten   …
    Es half nichts, von nun an mussten die Schafe Tag und Nacht im Auge behalten werden, und sobald ein Lamm geboren war, schwups
     in den Stall mit ihm und seiner Mutter, in eine eigene kleine Abzäunung. Für ein bis zwei Tage, bis es kräftig genug war,
     dass Eis und Schnee ihm nicht mehr zum Verhängnis werden konnten. Lammwache schieben war angesagt.
    Teddy kannte einen Schäfer, der seine Tiere im Winter im Stall |253| hielt und im Sommer mit ihnen übers Land zog. Von ihm borgte er sich den Schäferwagen aus. Ein ehemaliger Bauwagen, darin
     ein kleiner Gasofen, ein Tischchen und eine Pritsche. Hier drinnen schoben Sonja und Teddy abwechselnd Nachtwache. Fünf Tage
     Teddy, fünf Tage Sonja.
    Das zweite Lamm kam, die ersten Zwillinge folgten. Und die nächsten und dann wieder ein einzelnes und wieder Zwillinge   … es ging wie das Brezelnbacken. Als Sonja eines frühen Morgens beim Wagen eintraf, hörte sie schon von draußen Teddys gleichmäßiges
     Schnarchen. Leise öffnete sie die Tür. Was sie dann zu sehen bekam, würde sie sehr lange nicht mehr vergessen: Der riesenhafte
     Mann lag rücklings auf der schmalen Pritsche, die Jacke als Kissen unter seinen Kopf gestopft. Auf der Bergkuppe seines Bauches,
     umschlossen von seinen Armen, schlief zusammengerollt ein winziges Lamm. Sonja blieb in der Tür stehen, ein Grinsen breitete
     sich auf ihrem Gesicht aus.
    «Guten Morgen, ihr beiden», flüsterte sie, «die Wachablöse ist da. Und ich hab Kaffee mitgebracht.»
    «Bööööh», sagte das Lamm und erhielt sofort Antwort von einem Schaf draußen, offenbar seine Mutter. «BÄÄÄÄÄHHHH», schrie das
     Lamm jetzt und begann wild zu strampeln. Draußen blökte die Mutter, was das Zeug hielt, andere Schafe fielen in das Konzert
     ein. Vom Lammgestrampel und dem Schafgeschrei geweckt, schreckte Teddy plötzlich hoch und saß aufrecht auf der Pritsche.
    «Was   … wer   … warum   …», stammelte er. «Ach, du bist es, Sonja.» Seine Hände hielten das zappelnde Etwas auf seinem Schoß instinktiv umklammert,
     was das Lamm gar nicht toll fand und mit noch heftigeren Befreiungszuckungen quittierte.
    «Der hat Hunger, der Kleine, der muss zu Mama», brummte Teddy und streckte Sonja das Tierchen entgegen. Sie trug es hinaus.
     Das Schreien des Lamms und die Antworten seiner Mutter steigerten |254| sich jetzt in ein Crescendo molto furioso, die dünnen Lammbeinchen haxelten immer wilder in der Luft herum. Sonja stellte
     das Tierchen in den Schnee, und dann ratterte es los wie ein Aufziehspielzeug, schnurstracks auf das am lautesten blökende
     Muttertier zu, schubste ein anderes Lamm – offensichtlich sein Zwilling – beiseite und trank und trank und trank, während
     sein Schwänzchen aufgeregt zitterte und zuckte.
    Teddy hatte sich inzwischen hochgerappelt und war aus dem Wagen gekrochen.
    «Die hat in der Nacht gegen zehne gelammt», begann er zu erzählen. «Sah eigentlich allet schick aus zu Beginn. Beide Lämmer
     waren fit und sind bald gestanden. Die Mutter hat sie brav trocken geleckt. Denn hab ich die drei aufgestallt, und da ist
     mir schon aufgefallen, der Kleene ist zu blöde, die Zitze zu finden. Hat überall rumgemacht, vorn, hinten, an der Seite, bloß
     nicht am Euter! Ich dachte mir, das wird schon, seine Schwester hat es ja auch geschnallt. Aber denn, nach zwei Stunden, wie
     ich nachsehe, da lag der nur noch rum. War auch schon ein wenig ausgekühlt, der Kleene. Na, ein bisschen Wärme könnte nicht
     schaden, dacht ich mir, und da hab ich in ringenommen, in den Wagen. Langsam ist er da wieder munter geworden. Ich wieder
     raus mit ihm, nochmal zur Zitze. Wieder nüscht! So ein Doofkopp aber auch, dacht ich mir   …»
    «Red nicht so über unsere Lämmer, Teddy. Das ist kein Doofkopp.»
    «Wat denn sonst? Wenn er vor der Zitze hockt und Hunger hat und die Milch nicht findet   …»
    «Trotzdem, rede bitte nicht so

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