Was wir unseren Kindern in der Schule antun
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âWenn ein Schüler (â¦) im ersten Test beim Dividieren mit Sechs abschneidet, in der zweiten Arbeit mit dem Thema Prozentrechnen aber zeigt, dass er mittlerweile auch die Division aus dem Effeff kann, dann wird seine Sechs nicht durch eine Eins ersetzt, sondern mit einer Eins addiert und aus dieser Summe ein Notendurchschnitt berechnet. (â¦) Sachkenntnis von heute lässt sich nicht mit Unkenntnis von gestern zu mittelmäÃiger Kenntnis addieren.â 26
Ãberhaupt widerspricht es den grundlegenden Regeln der Mathematik, einen Durchschnitt aus Ziffernnoten zu errechnen, da Noten Ordinalzahlen sind und keine Nominalzahlen. Sie beschreiben nur eine Reihenfolge: Die Eins ist besser als die Zwei, diese ist besser als die Drei und so fort. Ordinalskalen sagen nichts darüber aus, ob der Notenabstand jeweils gleich groà ist, wie zum Beispiel bei Metern, Temperaturgraden oder Gewichten. Dies ist zwar allgemein bekannt, und doch setzt man sich in der Schule darüber hinweg und nimmt die gravierenden âNebenwirkungenâ in Kauf (obwohl Noten über Lebenschancen entscheiden). In manchen Ländern (zum Beispiel in den USA) gibt es deshalb Buchstaben statt Ziffernnoten â ein Durchschnittsbuchstabe lässt sich daraus nicht berechnen.
In Bayern wird nach einem neuen Gesamtkonzept, das zum Schuljahr 2009/10 in Kraft trat, die Schullaufbahn âkind- und begabungsgerechtâ weiterhin durch einen Durchschnitt bestimmt, der bis auf die zweite Stelle nach dem Komma berechnet wird (Gymnasium: bis 2,33; Realschule: bis 2,66). 27
Die Note in einem Fach- oder Fachteilbereich errechnet sich je nach Vereinbarung in den Kollegien aus dem Durchschnitt der Noten aus den Proben beziehungsweise den mündlichen und praktischen Beurteilungen, die jeweils nur als ganze Zahl in die Berechnung eingehen. Diese Noten wiederum wurden in der Regel anhand eines Notenschlüssels gewonnen, der teilweise bis zu einer Bandbreite von 30 Prozent der Gesamtpunkte einer einzigen Note zuordnet. Der gewonnene Durchschnittswert wird wiederum auf eine ganze Zahl gerundet. Die endgültige Ãbertrittsnote ist also das Ergebnis eines teilweise mehrfach durchlaufenen Prozesses der Bestimmung von Durchschnitten und anschlieÃender Rundung auf eine ganze Zahl. Erst beim letzten Durchgang wird der Durchschnitt auf zwei Stellen nach dem Komma angegeben, was eine Genauigkeit vortäuscht, die nicht gegeben ist. Rein rechnerisch beträgt der Unterschied der
Ãbertrittsnoten, die den Besuch des Gymnasiums oder der Hauptschule empfehlen, 0,34 beziehungsweise, unter Berücksichtigung der tatsächlich möglichen Werte von Durchschnitten bei Ãbertrittsnoten, einen Unterschied von 0,67. Dieser Unterschied ist marginal angesichts der Praxis der Notenberechnung und liegt zudem in einem Bereich, in dem alle Kinder die Lernziele erfüllt haben.
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Pro und Contra Noten â eine Aufstellung
Für Noten spricht, dass â¦
⢠sie vertraut und traditionell verankert sind.
⢠Kinder und Eltern deren Aussagekraft kaum anzweifeln.
⢠sie in knappster Form über den ungefähren Rangplatz in der Klasse informieren.
⢠sie leicht verrechenbar sind (wie Kilogramm oder Meter).
⢠sie Selektionsentscheide vereinfachen.
⢠sie den Wettbewerb fördern (wie im richtigen Leben).
⢠der Glaube weitverbreitet und stark ist, Noten könnten so viele Ansprüche wirklich erfüllen. 28
⢠das System Daten über das Lernen und die Leistungen benötigt, von denen man behaupten kann, dass sie mit einer Norm korrespondieren und also vergleichbar sind. 29
⢠sie ökonomisch und massentauglich sind. 30
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Gegen Noten spricht, dass â¦
⢠keineswegs klar ist, was mit einer Note zum Ausdruck gebracht wird.
⢠verschiedene Lehrer dieselbe Arbeit unterschiedlich bewerten.
⢠die Benotungspraxis viele unerwünschte Nebeneffekte hat.
⢠Noten zur Beurteilung bestimmter Sachverhalte ungeeignet sind.
⢠Notenarithmetik mathematisch unzulässig ist (Durchschnittsberechnung).
⢠Studien mit anderen Aufgabenâ oder Leistungstypen eine Objektivität der Benotung teilweise erschreckend widerlegen konnten. 31
⢠seit Jahrzehnten die messtechnische Leistungsfähigkeit von Ziffernnoten wissenschaftlich untersucht wird. Die Ergebnisse fallen durchwegs miserabel aus. 32
⢠sie psychischen Stress verursachen. Sich
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