Was wir unseren Kindern in der Schule antun
Fähigkeiten dementsprechend einsetzen. Künstler treibt dagegen der innere Drang an, etwas zu tun, zu schaffen, ihre Persönlichkeit auszudrücken. Gerade in diesen Fällen kann man beobachten, dass hier der Erfolg durch sehr viel Ãbung gewonnen wurde.
Biografien sehr erfolgreicher Menschen zeigen, dass sie ihren Erfolg meist nicht allein sich selbst verdanken, sondern dass sie in den Genuss verborgener Vorteile, auÃergewöhnlicher Chancen und eines kulturellen Umfeldes kamen, die es ihnen ermöglichten, anders zu lernen und zu arbeiten und die Welt anders zu verstehen. 38 Ihr Verdienst war es aber, diese Gelegenheiten zu erkennen und zu ergreifen.
Für eine Studie 39 wurden 1921 in den USA von Lewis Terman, einem amerikanischen Psychologieprofessor, in Grundschulen mithilfe von Intelligenztests insgesamt 1470 Kinder mit einem IQ von mehr als 140 und zum Teil bis 200 ermittelt. Jahrelang wurden sie intensiv beobachtet, sogar gezielt gefördert. Das Ergebnis war, dass es, als sie erwachsen waren, nicht wie erwartet nur Genies gab, sondern dass sich eine sehr gemischte Gruppe zeigte, in der sowohl sehr erfolgreiche als auch mehr oder weniger erfolgreiche Menschen vertreten waren, bis hin zu Versagern. Die Erfolgreichen kamen mit groÃer Wahrscheinlichkeit aus wohlhabenden Familien. Eine ausschlaggebende Rolle spielt demnach, wie die Eltern eines Kindes ihren Lebensunterhalt verdienen und welche Weltsicht das gesellschaftliche Milieu vertritt, dem sie angehören.
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Ist Intelligenz angeboren oder erworben?
Diese Frage ist deshalb so brisant, weil sich daraus wichtige Schlussfolgerungen ergeben können. 40
Unter der Annahme, dass Intelligenz durch einen hohen Erbeinfluss bedingt ist, sind MaÃnahmen zur Entwicklungsförderung oder zum Training bestimmter Eigenschaften eine Zeit- und Geldverschwendung. Als Schlussfolgerung sollte man dann sehr früh die intelligenteren Kinder von den weniger intelligenten trennen und sie in unterschiedlichen Schulen unterrichten.
Ganz anders sieht es aus, wenn man annimmt, dass die Umwelt das gröÃere Gewicht bei der Ausprägung der Intelligenz hat . Unter Umwelt versteht man alle Einflussfaktoren auÃer den genetischen, die durch die Chromosomen festgelegt sind: Zu den Umweltfaktoren zählen also bereits die Umgebung des Ungeborenen im Mutterleib, Alkohol- und Drogenkonsum sowie das Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft, später der Einfluss von Eltern, Geschwistern, Freunden, Bekannten und Schule sowie die Ernährung. Man kann durch aktive Gestaltung dieser Umwelt erheblichen Einfluss auf die Entwicklung einer Person nehmen und sie formen. Jedes Kind hat dann eine Chance.
Aus den vorgestellten Erläuterungen zur Entwicklung des Gehirns und seiner Reifung (siehe Informationskapitel â³Gehirnâ³, ab Seite 190) geht hervor, dass man der Umwelt wesentlich mehr Einfluss zuschreiben muss, als man noch bis vor einigen Jahrzehnten annahm. Die Forschung entdeckt immer mehr Beweise, dass selbst Gene beinflussbar sind, weil diese zum Beispiel durch Umwelteinflüsse ein-und abgeschaltet werden können. Sogar Anlagen, die durch die Chromosomen festgelegt sind, wie die Reifung der Sinne sowie der Motorik, können durch die Umwelt sowohl gefördert als auch gehemmt werden. 41
Bei der Geburt verfügt jedes Kind über einen enormen Ãberschuss an Nervenzellen. Es steht ihm ein ganzes Bündel von Möglichkeiten zur Verfügung. Das Material wird von den Genen zur Verfügung gestellt. Aber erst die Vernetzung der Zellen entscheidet, was aus dem Gehirn wird. 42 Ob es alle Anlagen entfalten kann oder eine Kümmerversion ausbildet, hängt von den Reizen, Erfahrungen und Informationen ab, die das Gehirn erhält. Da jeder Mensch unterschiedliche Erfahrungen macht, entwickelt sich jedes Gehirn ganz unterschiedlich. Bei der Auswertung jahrelanger Beobachtung von eineiigen Zwillingen, die gemeinsam aufwuchsen, konnte René Spitz genau dies belegen. Sie entwickelten sich trotz übereinstimmender Gene und vieler Gemeinsamkeiten doch auffallend unterschiedlich. 43 Selbst in diesem Fall waren die Bedingungen eben doch für beide nicht übereinstimmend. Das begann schon bei der Geburt, als das erste Mädchen normal geboren wurde, das zweite jedoch durch Kaiserschnitt. Da auch die Charaktere der beiden unterschiedlich war, das eine Mädchen mehr weinerlich, das andere forsch, reagierten die
Eltern
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