Was wir unseren Kindern in der Schule antun
Sind intelligente Kinder die besseren Schüler?
Nicht unbedingt! Eine überdurchschnittlich ausgebildete Intelligenz allein reicht auf keinen Fall aus für gute und sehr gute Leistungen in der Schule. Leistung ist immer ein Produkt aus Intelligenz, Wissen und Können. Entscheidend ist der Zugriff auf eine gut organisierte und reichhaltige Wissensbasis. Intelligenz hilft nur dabei, den Erwerb und den Abruf des Wissens zu steuern. 30 Je besser zum Beispiel ein Kind im Kindergarten mit Lauten und Silben vertraut wird, etwa durch das Singen und Klopfen zu Reimen, je öfter es spielerisch schon einzelne Buchstaben kennenlernt und sie dadurch zu unterscheiden vermag, umso weniger Schwierigkeiten wird es haben, in der Schule die Schriftsprache zu erlernen und auch schreiben zu können. Das hat nichts mit der Höhe seiner Intelligenz zu tun.
Schuluntersuchungen zeigen, dass Wissensvorsprünge zu einem gröÃeren Lerngewinn führen als Intelligenzvorsprünge. 31 Fehlendes Vorwissen kann nicht durch Intelligenz kompensiert werden, während der umgekehrte Fall durchaus möglich ist. 32
Um sich Kompetenzen anzueignen, erfordert der Erwerb dieses Wissens von allen Menschen gezielte und nicht selten langwierige Ãbung. Das gilt für intelligente genauso wie für weniger intelligente Menschen. Der einzige Vorteil liegt darin, dass intelligentere Menschen aufgrund ihrer rascheren Auffassungsgabe Wissen schneller erwerben und automatisieren, weil ihr Gehirn effizienter arbeitet. Natürlich vorausgesetzt, sie haben überhaupt die Motivation dazu. Weniger intelligente Menschen, denen es gelingt, eine derartig breite Wissensbasis anzulegen, können das gleiche Leistungsniveau erreichen wie intelligentere oder dieses sogar übertreffen.
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Intelligenz und ihre Bedeutung für den Lebenserfolg
Es stellt sich zunächst überhaupt die Frage, was Erfolg ausmacht. Bedeutet Erfolg eine steile berufliche Karriere oder Reichtum, Einfluss und Macht oder doch etwas ganz anderes wie eine positive persönliche Entwicklung, ein harmonisches, zufriedenes Leben, eine lebendige Familie mit Kindern? Jeder Mensch wird darauf seine ganz eigene Antwort finden.
Zwischen IQ und beruflichem Erfolg besteht nur ein schwacher Zusammenhang. 33 IQ-Werte erklären in der Regel weniger als 10 Prozent der Unterschiede zwischen den mehr oder weniger Erfolgreichen. Das bedeutet, dass der IQ zu über 90 Prozent nichts zu tun hat mit den Unterschieden zwischen einzelnen Personen. Dabei heiÃt es immer, es komme vor allem auf den IQ an, zum Beispiel in der Schule. Der Erfolg muss demnach weitgehend von anderen Faktoren beeinflusst sein.
Nach dem Intelligenzforscher Robert Sternberg hängt Erfolg von einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen analytischer, kreativer und praktischer Intelligenz ab. 34 Für den Erwerb dieser Kompetenzen braucht ein Mensch aber Zeit und schon möglichst früh im Leben möglichst viele Gelegenheiten, angstfrei aus Erfahrungen zu lernen und sich an geeigneten Rollenvorbildern zu orientieren. Die Forschung zeigte auch hier, welch enorme Bedeutung dafür dem häuslichen Umfeld zukommt â der Bereitschaft der ersten Bezugspersonen, also der Eltern, emotional und verbal angemessen auf das Kind zu reagieren, eine feste Bindung einzugehen, willkürliche Einschränkungen und Strafen zu vermeiden, die Umgebung des Kindes anregend zu gestalten und vor allem gemeinsam etwas zu unternehmen. 35 Nur so entwickelt sich eine eigenständige Identität. Nur so wird aus einem Kind ein erwachsener Mensch mit einer selbstbestimmten Persönlichkeit, der mehr kann, als Fragen in einem Standardtest korrekt zu beantworten. In Zukunft wird wohl immer mehr soziale Kompetenz gefragt sein, also die Fähigkeit, gemeinsam mit anderen nach tragfähigen Lösungen für gegenwärtige und künftige Herausforderungen zu suchen. 36 Solch ein Wissen ist nicht kurzfristig lern- und abfragbar, sondern verlangt ebenfalls eine Persönlichkeitsbildung in einer Gemeinschaft.
Die praktische Intelligenz sucht immer nach mehreren Lösungswegen und Möglichkeiten und setzt dazu den gesunden Menschenverstand
ein. 37 Ausschlaggebend ist auch der Arbeitsstil. Ist man zu langsam oder zu wenig entscheidungsfreudig, wird das den Erfolg schmälern.
Motivation ist ein weiterer entscheidender Faktor. Strebt jemand nach Anerkennung, Ruhm, Macht oder viel Geld, wird er seine
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