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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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In wenigen Worten berichtete er, wo er dran war.
    Pia Stein machte ihm den Mund wässrig. Sie bot an, nach bewährtem Muster vorzugehen. Er lieferte ihr Infos. Womöglich zu viele und sogar einige von seinen echten Trümpfen. Wenige Tage später erschien im Merkur ein Bericht über Dv 0 ttny, ein paar handverlesene schriftstellernde Ex-Politiker und einen Riesendeal. Die Holding schaltete das Landeskriminalamt ein. Pia Stein wurde unter Druck gesetzt. Sie berief sich auf Informantenschutz. Innerhalb von zwei Tagen ging das Gerücht durch die Presse, der Hacker sei im Münchner Umland angesiedelt. Bastian fand nie heraus, ob dies ein Köder war oder einfach nur ein Versuch, ihn aus der Reserve zu locken. Er war völlig unvorbereitet und hatte nicht die Nerven, um unterzutauchen. Er rief die Polizei an und stellte sich.
     
     

15
    Ich war mir nicht sicher, ob ich verstanden hatte, worauf es im Einzelnen bei Dv 0 ttnys Hacks hinauslief. Ich nahm lediglich mit, dass die vermeintliche Sicherheit, mit der man rechnete, wenn man sogenannte ›normale‹ Sachen im Netz unternahm, nicht existierte. Diese Wahrheit war so einfach wie schauerlich. Während ich den Text überprüfte, den ich geschrieben hatte, fiel mir auf, dass der Duktus viel zu trocken und sachlich gehalten war. Wenn ich Interesse für das gefährliche Leben eines Hackers wecken wollte, musste ich zum Punkt kommen. Aber was war der Punkt? Was brachte die Youngsters zum Hacking? Die Rebellion? Das Außenseitertum? Oder schlicht Genialität, die ein Anwendungsgebiet suchte?
    Warum hatte die Verlagsgruppe so abweisend reagiert? Vermutlich waren ein paar Egos angekratzt worden, weil Dv 0 ttny hinter die Firewalls gekrochen kam, die zuvor von überteuerten IT-Experten hochgezogen worden waren. Oder die betroffenen Ex-Politiker hatten Druck gemacht. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, in welche Abgründe Dv 0 ttny zu schauen imstande gewesen wäre, wenn er einfach weiterspioniert hätte, ohne sich um die Publicity und sein Vorbild Robin Hood zu kümmern. Bastian hatte sich das Image eines Weltverbesserers gegeben; zumindest war das die Seite seines Charakters, die er mir offenbart hatte. Angetörnt von dem Gefühl der Macht, die keiner ihm ansah, war er zu vertrauensselig gewesen und hatte eine Journalistin zu seiner Verbündeten gemacht, die von Rechnern nicht die Bohne Ahnung hatte.
    Im Internet stieß ich auf die Zeitungsberichte zu Dv 0 ttnys Hacks. ›Münchner Superhacker schlägt wieder zu‹ – in dem Stil hatte Pia Stein über Dv 0 ttny berichtet. In verschiedenen Magazinen entdeckte ich Artikel, die schilderten, wie Dv 0 ttny aufflog und schließlich zu sozialen Trainingsmaßnahmen und einem dicken Batzen gemeinnütziger Arbeit verurteilt wurde. Der Richter war bei einem vergleichsweise milden Urteil geblieben. Er hielt Bastian zugute, dass er aus seinen Entdeckungen kein Kapital geschlagen hatte und in seinem jugendlichen Alter mit Begriffen wie ›Unternehmensreputation‹ und ›Kundenvertrauen‹ nichts anfangen konnte.
    Die Verlagsholding hatte eine Schadenssumme von 25000 Euro geltend gemacht. Ich blätterte in Bastians Notizen; er hielt die Summe für völlig übertrieben. Entstanden sei ein Imageschaden, kein wirtschaftlicher Verlust; so schrieb es Pia Stein.
    Mein Handy klingelte, und ich war versucht, den Anruf wegzuklicken. Wenn ich so richtig im Schreiben abgetaucht war, verkraftete ich keine Unterbrechungen. Neros Klingelton allerdings änderte alles. Er hatte mich seit Tagen nicht angerufen. Stattdessen darauf gewartet, dass ich mich meldete. Ich nahm ab.
    »Kea, können wir uns heute Abend sehen?«
    »Klar. Möchtest du zu mir rauskommen?«
    »Das wäre schön.«
    Pause.
    »Nero? Alles im Lot?«
    »Jaja.«
    Oje, der mies-fiese Ton, der signalisierte: Du weißt doch, dass ich im Stress bin.
    Ich wurde unsicher. Hatte ich Lust, den heutigen Abend lang gegen ein unfrohes, griesgrämiges Gesicht anzuarbeiten? »Bis dann«, sagte ich und versuchte meiner Stimme einen fröhlichen Unterton mitzugeben.
    Nero hatte schon aufgelegt.
    Sein Anruf hatte mich aus dem Schreib- und Redigierfluss katapultiert. Ich wurde stinksauer. Er schätzte meine Arbeit nicht. Sah sie als Zeitvertreib. Während sein Job die Menschheit vor dem Bösen bewahrte. Das war seine Einstellung all die Jahre gewesen, die wir zusammen waren. Wenn man einen Zustand ›Zusammensein‹ nennen konnte, in dem man getrennte Wohnungen in zwei verschiedenen Welten besaß: Nero im Chaos

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