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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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meinem neuen Auftraggeber wissen lassen.
    »Im Team belächeln sie mich!«
    »Warum: Weil du Frongänger deines Polizeioberrates bist?«
    »Nonsense!« Nero schenkte sich Wein nach. Mein leeres Glas vergaß er. Zu Beginn unserer Beziehung hätte er das nicht getan. In diesem Punkt musste ich Frau Laverde senior recht geben: Die Aufmerksamkeit eines Mannes für seine Frau nahm mit den Jahren ab. Und zwar umso schneller, je mehr Jahre vergingen. Das war ein Naturgesetz. Am Schluss sah der Mann nur noch, was er sowieso am liebsten betrachtete: sich selbst. Mich verband nicht viel mit meiner Mutter. Genau genommen nichts. Außer die Gene. Aber mittlerweile stellte ich fest, dass ich die ein oder andere ihrer Sentenzen bestätigen konnte.
    Ich stand auf, nahm die Flasche und goss mein Glas voll.
    »Entschuldige.«
    »Vergiss es.« Ich war ja ein selbständiger Mensch. Umsorgt, verhätschelt werden, das kannte ich nicht. An den Wochenenden, die wir miteinander verbrachten, hatte Nero wenig Gelegenheit, so etwas wie ein Nest für mich zu bauen. Er wusste ohnehin, dass ich das nicht wollte.
    »Du bist frustriert, Nero, und das geht jedem ab und zu so. Andererseits musst du anerkennen, dass dein Team ziemlich solidarisch ist. Ich habe dich nie was gegen Freiflug sagen hören.«
    »Markus ist in Ordnung. Kröger auch. Legt mir ab und zu Unterlagen hin, in denen es um aktuelle Entwicklungen geht. Neue Cyberverbrechen. Gemeinheiten, von denen wir heute noch gar nichts ahnen.«
    »Dann nimm dir Urlaub. Nimm dir den ganzen Dezember frei. Erledige das mit deinem Patch und dann sagst du ›Feierabend‹ zu Woncka.«
    Voller Überdruss musterte Nero den Boden. Na gut, ich hatte lange nicht geputzt. Die Pfannkuchenkrümel vereinigten sich mit den Bröseln und Staubmäusen von Wochen.
    »Nero, du musst doch selbst sehen, dass du ausgebrannt bist.«
    Er ging zur Spüle und trank Wasser aus dem Hahn. »Habe ich einen Durst.«
    »Claude-Yves kocht würzig.« In meinem Bauch hatte sich irgendetwas Kämpferisches festgesetzt. Als wollte ich Nero triezen. Was war das: Wollte ich meinen eigenen Kummer einklagen? Meine Einsamkeit hier draußen, die ich zugegebenermaßen selbst gewählt hatte? War ich eigentlich zufrieden?
    »Ich kann mir jetzt keinen Urlaub leisten. Wenn ich diese Forschungstätigkeit durchsetzen will, muss ich mir Schritte überlegen, die Woncka überzeugen.«
    Ich stellte meinen Wein ab und ging auf Nero zu. »Mensch, Nero, lass uns irgendwo hinfliegen. Lanzarote, La Gomera … irgendwohin, wo wir dieser Trübsal entkommen.« Ich machte eine Kopfbewegung zum Fenster und meinte die lange Dunkelheit, die überfrierende Nässe und die kräuseligen, schwarzen Büsche im Garten. »In der Sonne, am Pool, mit einer Caipirinha in der Hand, kommen dir ganz neue Gedanken.«
    Nero winkte ab.
    »He, Nero, es ist bald Weihnachten. Da kommen ein paar Feiertage zusammen.«
    »Einer von uns hat Dienst.«
    »Wenn ich mich recht erinnere, warst du das im letzten Jahr.«
    Er verdrehte die Augen. »Es geht nicht, okay? Wenn du unbedingt weg willst, lade halt Juliane ein!«
    Krach peng, das saß. Dass ich im Frühling auf der Georgienreise die Begleitung meiner Freundin seiner vorgezogen hatte, nagte selbst ein halbes Jahr später an ihm.
    »Klar. Mache ich.«
    Er packte meine Schultern. »Kea, warum streiten wir?«
    »Ich streite nicht. Ich sehe nur, dass es sinnlos ist, mit dir ernsthaft über deinen Zustand zu sprechen. Du schwankst auf deiner Karriereleiter über der Speiseröhre der Hölle, und die Leiter hat längst keine Sprossen mehr.«
    »Hübsch gesagt, meine Sprachgewaltige.«
    »Wenn du mit mir nicht sprechen willst, dann suche dir einen Freund, der dir zuhört. Einer, der deine Situation besser versteht. Aber hör auf mit deiner stummen Selbstzerfleischung.«
    »Wer könnte das sein?«
    »Markus Freiflug?«
    »Zu nah!« Nero ließ mich los und sank aufs Sofa. »Außerdem bin ich Weihnachten noch nie weggefahren.«
    »Ha! Tolle Begründung!« Er war stur wie ein Kutscher.
    »Meine Schwestern …«
    »… warten natürlich zitternd darauf, dass ihr Bruder reinschneit und Geschenke abgibt. Mann, Nero, bist du festgefahren!« Das war unser Gespräch auch. Irgendwo im Matsch der Emotionen versackt, die zu lange verdrängt und zu plötzlich aufgetaucht waren. Der reinste Murenabgang. »Du bist nicht nur festgefahren, sondern auch blind. Und unwillig selbst gegenüber der winzigsten Veränderung!« Damit war der Abend wohl gelaufen. Was

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