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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Schule zu Ende bringen und sich derweil ein bisschen Taschengeld mit Dingen verdienen, die er aus dem Ärmel schüttelte. Keine Regale im Supermarkt einräumen oder Dienst an der Tankstellenkasse schieben. Bei dem, was er tat, lernte er sogar etwas.
    Er war früher an Ort und Stelle, als er geplant hatte. Bastian stellte den Roller an der Straße ab und rutschte die Böschung zum See hinunter. Schneematsch geriet in seine Boots und durchnässte seine Socken. »Verdammt, ist das kalt!« Sein Hochgefühl verflog.
    Fröstelnd lungerte er am Seeufer herum. Lauschte den Autos, die vereinzelt über die Straße rauschten, bis das Motorengeräusch verklang. Unheimlich hier, mit den Büschen, die ihn stumm und reglos beobachteten. Als könnte jederzeit jemand dahinter hervorspringen. Wer, zum Teufel?, schalt Bastian sich. Kein Mensch war um diese Zeit in der Nähe. Alle hockten gemütlich im Warmen und guckten ›Heute‹. So wie seine Mutter. Die wollte die Nachrichten auf keinen Fall verpassen. Musste alles mitkriegen. Ihm fehlte das Verständnis dafür. Für ihn klangen die Nachrichten jeden Tag gleich, ein zäher Strom aus Langeweile. Man konnte sowieso nicht eingreifen. Vielleicht war es deswegen so erregend, Dv 0 ttny zu sein. Dv 0 ttny griff ein und veränderte die Welt, ohne dass es irgendjemand bemerkte.
    Ein Wagen hielt oben an der Straße. Bastian spürte sein Herz rasen. Der Schweiß brach ihm aus, auf einmal war ihm heiß und kalt. Kurz flammte Neid auf. Auf die Leute, die vor dem Fernseher lümmelten. Das hier war was anderes. Ganz anders, als am Rechner Mauern zu umgehen oder sich als jemand auszugeben, der man nicht war. Hier stand er im Schneematsch, mit kalten Füßen, und fühlte seine Hände zittern. Er wich ein Stück zurück, geriet auf der Böschung ins Rutschen und verlor das Gleichgewicht.
    Jetzt in den See plumpsen, das wäre die Krönung! Verdammt, ihm war nicht gut. Ihm war ganz und gar nicht gut. Sein Schädel brummte. Bastian spitzte die Ohren. Zusammenreißen! In einer Viertelstunde wäre alles vorüber, und er hätte das Geld. Eine Viertelstunde, das war weniger als die Heute-Nachrichten, also Zähne zusammenbeißen!
    Jemand kam den Hang runter. Er hörte Zweige knacken und einen unterdrückten Fluch. Das Gras war dermaßen glitschig! Im See platschte es. Als käme ein Fisch nachsehen, was los war. Nicht lange, und eine dünne Eisschicht würde den See bedecken. Bastian stapfte die seifige Uferböschung hinauf. Verdammt, er war ziemlich weit auf die Wasseroberfläche zu gerutscht. Plötzlich hämmerte etwas auf seinen Kopf ein. Ein dumpfer, brutaler Schmerz. Ihm wurde schwindlig davon. Langsam und bewusst atmete er ein und aus. Er hatte keinen Schimmer, was er jetzt tun sollte. So ein blöder Spruch kam ihm in den Sinn, eine der Erziehungssentenzen seiner Mutter: Wer A sagt, muss auch B sagen. So ein Quatsch. Er wusste überhaupt nicht, was er sagen sollte. Hallo, grüß Gott, danke, dass Sie kommen konnten, her mit der Kohle? Wahnsinn, wie ihm der Kopf wehtat. Zum Zerspringen.
    Er sah kurz den Schatten eines Mannes. Hörte etwas knallen wie eine Fehlzündung, dann glitt er auf den nassen Boden. Wütend suchte er Halt. Flog er jetzt schon auf die Fresse, wenn er einfach nur irgendwo stand? Wahrscheinlich aus Nervosität. Seine Hände tasteten über den Boden, er wollte sich aufstützen und aufstehen, aber irgendwie ging das nicht. Er hatte feuchte, kalte Erde im Mund. Blöder Mist. Sein Schädel drohte zu explodieren. Aber das Geld, das Geld wollte er haben. Wo war überhaupt der Typ? Er hatte doch jemanden gesehen! Bastian blickte angestrengt über den See, zwinkerte, es war verdammt dunkel, da konnte er nichts erkennen, und alles verschwamm, verschwamm so dämlich. Der See kam auf ihn zu. Wie ein gigantisches, schwarzes Auge starrte das Gewässer ihn an und schien ihn in seine Tiefe zu ziehen. Bastian wollte nach Luft schnappen, aber da waren nur Kälte, Düsternis, Wasser. Der See hatte ihn verschlungen.
     
     

17
    Peter Jassmund stand kurz vor Mitternacht vor meiner Tür. Nero und ich hatten auf ihn gewartet.
    »Nur auf ein Bier«, sagte Jassmund, während er seine schlammverkrusteten Mephistotreter wegkickte.
    Nero holte das Bier. Ich drapierte die Reste von Claude-Yves’ Menü auf dem Tisch vor dem Sofa.
    »Das war eine Scheißnacht.«
    »Mord?«, fragte Nero.
    »Unklar. Der Junge ist wahrscheinlich ertrunken. Andere Spuren von Gewalteinwirkung haben wir nicht gefunden. Jetzt ist der

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