Wasdunkelbleibt
Veröffentlichung fertiggemacht wurden. Was interessierte mich Remote Access Software und dergleichen Kram!
»Im Netz weißt du nie, wer sich hinter einer Aktion verbirgt«, sagte Cyn. Sie hing auf ihrem Stuhl, horizontal beinahe, und kaute an ihrem Brot. Der graue Jogginganzug umgab sie wie eine faltige Elefantenhaut. »Jemand könnte Bastians Identität annehmen.«
Ich rollte mich zusammen und döste. Juliane warf neue Scheite ins Feuer. Mein Gesicht glühte. Ich sollte bei Nero sein. An seinem Bett sitzen und seine Hand halten. Stattdessen beschäftigte ich mich mit einem Computer.
»Können wir den Trojaner nicht rausschmeißen und gut ist’s?«, fragte ich.
»Erstens merkt der Absender dann, dass wir auf seiner Spur sind. Und zweitens lässt sich ein echter Hacker nicht einfach abweisen. Er wird einfallsreicher sein und sich etwas ausdenken, um trotzdem oder gerade deswegen ins System zu kommen.«
Ich musste eingedöst sein. Juliane berührte meine Schulter. Ich schreckte hoch.
»Es geht los!«
Cyn saß, gespannt wie eine Sprungfeder, vor meinem Rechner. Der Bildschirmschoner war beiseitegewischt.
»Er ist da!«, flüsterte sie.
»Und jetzt?«
»Beobachten wie seine Schritte.«
»Warum flüstern wir? Kann er uns hören?«, fragte Juliane.
»Kann er nicht. Ich habe vorsichtshalber das Mikro deaktiviert. Aberglaube.« Cyn starrte gebannt auf den Bildschirm.
Der Fremde öffnete der Reihe nach alle meine Ordner. Er begann bei den neueren Ghostwriting-Projekten und ordnete alle Dateien nach Datum an.
»Ich werde verrückt. Er checkt alles durch!« Schwer zu sagen, wie ich mich fühlte. Wie eine Schlange, die sich häutete und plötzlich nicht mehr weiterkam. Mein Atem ging keuchend. »Warum schicken wir ihm keine gemeine, kleine Nachricht?«
»Weil wir herausfinden wollen, worauf er aus ist«, antwortete Cyn. Sie hatte nun ein anderes Notebook herangezogen und machte sich daran, in einem mir völlig unbekannten Programm Zahlen einzugeben.
»Was machst du da?«
»Ich will seine Spur finden und festhalten, damit wir ihm nachher folgen können. Aber ohne, dass er Verdacht schöpft.«
»Er ahnt, dass ich von Rechnern keinen Schimmer habe, und fühlt sich sicher«, mutmaßte ich.
»Umso besser für uns.«
Hilflos sah ich zu, wie der Fremde meine Dateien in ihre ursprüngliche Ordnung versetzte und sich dann meinen E-Mails zuwandte.
»Das halte ich nicht aus!« Ich griff nach der Maus.
»Lass!« Juliane hielt meine Hand fest. »Schau dir das an: Er gibt dein Passwort ein.«
Das Passwort erschien, als Sternchen verschlüsselt, meine Mailbox öffnete sich und Mister unbekannt begann, die neu eingegangenen Mails zu öffnen. Ich las mit. Auf diese Weise erfuhr ich von einem 8 0- jährigen Unternehmer, der seine Biografie geschrieben haben wollte, einem Weltumsegler, der seine letzte Reise als Buch herauszugeben beabsichtigte, und kriegte ein paar Werbemails zu Gesicht.
»Schreibst du Nero Mails?«, fragte Juliane.
Ich nickte. »Nicht oft, aber es kommt vor.«
Cyn starrte mich an. »Deinem Lebensgefährten, der am LKA arbeitet? Schickst du die Mails an seine Privatadresse?«
»Üblicherweise an beide: die private und die im Büro.«
Cyn lachte verzweifelt auf. »Du liebe Güte. Der Hacker kriegt die Infos bei dir aber wirklich gratis.«
»Was soll das heißen?«
»Zu kompliziert jetzt.«
Wir beobachteten hilflos, wie der Fremde alle neuen Mails auf ›ungelesen‹ zurücksetzte.
»Ich habe ihn soweit, dass ich ihm folgen kann. Wenigstens den nächsten Schritt. Wenn er sich nicht gleich aus dem Netz ausloggt und verschwindet«, kündigte Cyn an. Lauernd wie ein Raubvogel starrte sie auf ihren Laptop. »Na los! Unternimm was! Ja … nun mach … genau, geh in diesen Chatroom!«
Der Typ hatte mein Notebook offenbar verlassen. Der Bildschirmschoner schaltete sich wieder an; ein Netz aus bunten Linien zog sich durch das Schwarz.
»Was für ein Chatroom?« Juliane klebte hinter Cyn.
»Schönschönschön«, summte Cyn. »›The Shallows‹. Ein bei Hackern beliebter Treff. Lass mal sehen, ob ich hinter ihm durch die Tür komme.« Ihre Finger trommelten auf die Tastatur.
Müdigkeit und Hilflosigkeit machten mich mürbe. Ich sah hinaus in die schwarze Nacht. Vielleicht war der Hacker nicht weit. Saß in einem Auto irgendwo im Dunkeln und glotzte durch ein Fernglas zu uns herüber. Ein unheimliches Kribbeln bemächtigte sich meines Körpers.
»Kann er wissen, dass wir hier sind?«, fragte ich
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