Wasdunkelbleibt
Augenbrauen zusammen. »Das heißt?«
»Jemand hat eine Voreinstellung geändert.« Freiflug war sich nicht sicher, ob Jassmund die Brisanz begriff. Er hatte die entsprechenden Programmzeilen immer wieder durchgesehen, hatte es kaum glauben können. Es gab keinen Zweifel: Ein Insider hatte die Hintertür ein Stück angelehnt gelassen, um Bastian zu seinem Raubzug einzuladen.
»Schon klar. Einer aus Ihrem Team?«
»Möglich.« Es war nicht nur möglich, es war außerordentlich wahrscheinlich.
Jassmund zerdrückte die letzten Kartoffeln und tunkte den Rest Eigelb auf. »Wie können Sie sicher sein, dass Bastian der Eindringling war? Bastian Hut ist x 03 ?«
»Wenn ich nichts Substantielles übersehen habe, dann ja.« Freiflug legte die Hände auf die Tischplatte. Er mochte seine Fingernägel nicht. Obwohl er sie ganz kurz schnitt, sammelten sich darunter unablässig schwarze Krümel.
»Eine Frage.« Jassmund legte das Besteck weg. »Ein Hacker kann ja nicht so leicht erkannt werden. Nehme ich doch mal an.«
»Natürlich nicht. Er ist vorsichtig. Gerade jemand, der in eine Behörde einbrechen will wie die unsere. Und das ist das zweite, was ich sonderbar finde.«
»Jemand von euch hat ihn reingelassen«, sagte Jassmund langsam und wischte sich den Bart ab, in dem lauter kleine Eisprengsel klebten, »hat aber gleichzeitig dafür gesorgt, dass der Eindringling erkannt wird.«
Sie schwiegen eine Weile.
»Wer es gemacht hat, wissen Sie nicht?«
»Nein. Und ich kann mir auch keinen Reim darauf machen.«
»Aber zu diesem Intriganten muss doch irgendeine Spur führen.«
»Ich war bis eben dran. Bloß finde ich nichts.« Freiflug biss sich auf die Lippen.
»Das ist zweifach abartig: Der Hacker wird hereingebeten.«
»Und läuft zugleich ins offene Messer.«
»Der Hacker hinterlässt einen anderen Namen. Er ist unter Dv 0 ttny bekannt, nennt sich aber dieses eine Mal x 03 .« Jassmund runzelte die Stirn. »Haben Sie Spuren von einem x 03 entdeckt? Anderswo?«
»Nein.« Freiflug schüttelte den Kopf.
»Zur Freude aller Beteiligten stirbt der Hacker an einem Aneurysma.«
»War es wirklich kein Mord?« drängte Freiflug. »Rücken Sie Ihrem Rechtsmediziner auf die Naht: ein seltenes Gift, ein Angriff auf Bastian, der äußerlich nicht zu sehen ist?«
»Ich frage nach. Habe aber wenig Hoffnung. Wir dachten am Anfang, wir hätten einen Junkie vor uns. Das Screening deckt eine Menge perverser Substanzen ab. Null.«
»Scheiße!« Freiflug bestellte ein zweites Bier.
»Ist es also genial gemacht?«, wollte Jassmund wissen.
»Nicht unbedingt genial. Aber sauber und ordentlich.«
»Dann kann es ja nicht lange dauern, bis Sie den Urheber finden. Suchen Sie denjenigen aus Ihrem Team, der nicht genial ist, aber hart arbeitet.«
Wir schuften wie Schindmähren, dachte Freiflug. Alle. Aber genial ist keiner. Außer vielleicht Nero.
30
Das Feuer knisterte, die Katze schnurrte, und der Regen peitschte gegen die Glaswand des Wintergartens. Hätte nicht die Ansammlung von leise brummenden Rechnern auf Cyns Tisch gestanden, wäre unsere gemeinsame Nacht recht entspannt gewesen. Ländlich sittlich eben. So ähnlich wie bei mir zu Hause.
»Wir lassen den Bildschirmschoner laufen«, bestimmte Cyn. »Das ist wie eine Einladung. Er denkt, es ist keiner da. Dann kommt er und schaut sich um.«
Juliane und ich hatten Schinkenbrote hergerichtet, während Cyn an meinem Rechner alle möglichen Sachen machte. Obwohl sie versprochen hatte, keine Texte zu lesen oder Daten abzugreifen, kam ich mir ausgezogen vor bis auf die Unterhose. Seltsamerweise vertraute ich Cyn. Auch wenn ich sie nicht mochte. Wir trugen die Brote in den Wintergarten. Cyn kochte eine neue Kanne Kaffee. Wir wollten wach bleiben.
»Vielleicht pennt er«, sagte ich gegen drei Uhr morgens.
»Vielleicht«, gab Cyn schläfrig zu. »Aber du musst damit rechnen, dass er reinschneit. Jede Sekunde. Die Mühe mit dem Trojaner macht man sich nicht, wenn es nicht dringend ist.«
»Es könnte Bastian gewesen sein«, mutmaßte Juliane. »Dann warten wir vermutlich umsonst.«
Der Gedanke, Bastian könne aus dem Jenseits auf meinen Rechner zugreifen, ließ mir einen eiskalten Schauer den Rücken hinunterrieseln. Es war ja vollkommen unmöglich. Oder war es doch möglich? Wer wusste schon, was sich hinter den Kulissen unserer Wahrnehmung abspielte. Ich betrachtete meinen Computer üblicherweise von außen und sah einen schwarzen, flachen Kasten, in dem meine Texte zur
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