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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sah noch ramponierter aus als ich, als wir uns im Café an der Uni trafen.
    »Ich brauche deine Hilfe«, sagte ich eindringlich. »Hier kriecht einer auf meiner digitalen Spur.«
    »Nicht nur auf deiner.« Freiflug bestellte ein Weißbier. Ich versuchte es mit der fünften Tasse Kaffee, seit wir bei Cyn aufgebrochen waren. Juliane schlief im Spider irgendwo im Halteverbot.
    »Ich war in Neros Wohnung und habe ein paar Sachen für ihn geholt.«
    »Wie geht’s ihm?«
    »Er ist ziemlich neben der Spur.« Ich konnte einfach nicht mehr sagen. Neros kreidebleiches Gesicht, der wuchernde Bart … in den wenigen Momenten, in denen er die Augen unter aller Kraftanstrengung aufgerissen hatte, hatte ich in die Leere eines Hochlandmoores geschaut. Nonsense, schalt ich mich. Immer auf der Suche nach Metaphern, diese Marotte konnte ich einfach nicht abstellen.
    »Ich habe dich angerufen, weil ich wissen will, was bei euch im Team wirklich los ist«, sagte ich. »Nero hatte einen Herzinfarkt! Mann, das ist doch kein Schnupfen!«
    »Nope.« Freiflug lehnte sich zurück und blinzelte mich an. »Aber wie läuft’s zwischen euch? Das könnte auch ein Thema sein.«
    »Möglich. Nur nichts, was jetzt weiterhilft. Was war das für ein Defacing?«
    »Ein Hacker namens Dv 0 ttny muss die manipulierten Seiten hochgeschossen haben.«
    »Ein – was?« Ich hustete.
    »Hacker. So heißen die Leute, die …«
    »Vergiss es. x 03 ist Dv 0 ttny?«
    »Ein ganz junger Typ. Er wurde vor ein paar Jahren verurteilt, hat aber der Versuchung wohl nicht widerstehen können.«
    »Es hat keinen Sinn.« Ich bettete das Gesicht in meine Arme, roch das alte Holz des Tisches, auf dem mehr als ein Glas Bier zu Bruch gegangen war.
    »Was meinst du? Kea?« Freiflug schüttelte mich. »He! Mund auf und reden!«
    Ich erzählte ihm meine Version. Cyn ließ ich weg. Ich endete an der Stelle, wo Jassmund spät in der Nacht in meine Klause geschneit war, frisch vom Tatort kommend.
    »Kacke!« Freiflug schlug sich mit der Hand an die Stirn. »Jetzt kapiere ich endlich, was Woncka damit meint: Dass Nero Privates und Berufliches nicht sauber trennt.«
    »Markus, Nero weiß das nicht!«
    »Umso schlimmer. Ist dir bewusst, in welche Bredouille du ihn gebracht hast? Er konnte sich Woncka gegenüber nicht verteidigen, weil er die Anschuldigung nicht verstand.«
    »Hat er dir das gesagt?«
    »Nein. Wann denn? Ich renne zu meinem Chef und konfrontiere ihn mit dem Herzinfarkt seines besten Mitarbeiters. Woncka wird blass, sinkt auf seinen Stuhl und jammert, er sei an allem schuld, aber er hätte es nicht so gemeint. Er muss Nero in der Bäckerei richtig angeschrien haben.«
    »Steht er so unter Strom?«
    Freiflug zögerte. Ich bemerkte das feine Flirren sofort. Meine Kunden waren Meister darin, die richtig schwierigen Dinge zu verschweigen. Schmerz wurde in unserer Kultur nicht zugelassen. Selbst beim Erzählen bremsten wir uns. Doch wenn andere das Vertuschen und Verbergen beherrschten – ich war der Crack im Aussitzen.
    »Muss wohl so sein«, bequemte Freiflug sich schließlich. »So ein Defacing ist eine fiese Geschichte. Eine verunstaltete Webseite macht schlechte Publicity. Aber viel schwerer wiegt das Abgreifen von Daten. Die irgendeinem Typen in die Hände fallen. Und du weißt nicht, was der damit als nächstes tut.«
    »Sprich, bei euch sind alle auf Alarm gebürstet!«
    »Kann man so sagen.«
    »Aber warum sollte Dv 0 ttny seine Läuterung durch eine bestellte Autobiografie vorantreiben und gleichzeitig wieder Mist bauen?«
    »Eben! Genau das ist der Punkt. Jemand hat ihm die Hintertür geöffnet, Kea. Dv 0 ttny wusste, wie er bei uns reinkam, aber er hat letztlich keine brisanten Daten erbeutet. Soweit wir wissen, hat er alte Fälle angesaugt. Das waren Daten, die noch mit einem alten System abgespeichert wurden. Deswegen kam er an die leichter ran.«
    Mein übermüdetes Hirn holte das Letzte aus sich heraus, bis es die richtigen Schlüsse zog. »Verschwörung?«
    »Jassmund hat das gleiche Wort benutzt.«
    »Peter Jassmund?«
    »Ich habe ihn angerufen und mit ihm gesprochen.«
    »Ihr habt einen Maulwurf im Amt.«
    Freiflug nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. »Ruf mich nur in Notfällen an, Kea. Und nicht im Büro. Kein Mailkontakt. Zur Not hinterlässt du eine Nachricht hier im Cadu an der Theke, wenn irgendwas schiefgeht.«
    »Klar.« Mir war nichts mehr klar. »Warum diese Geheimnistuerei?«
    »Weil wir nicht wissen, wer uns auf den Fersen ist.«
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