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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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gekannt. In seinem Job war er mit ganz anderen Dingen befasst. Aber jetzt, gerade jetzt, erschien ihm das Leben besonders gut. Geradezu süß. Er würde den Tag rumbringen. Trotz der Müdigkeit. Und heute Abend, gleich nach der Arbeit, würde er sich überraschen lassen. Sie kam pausenlos auf gute Ideen.
    Nur sonderbar, dass Kea so lange nicht mehr online war.

34
    Ich lieferte Juliane am frühen Abend in ihrer Wohnung in Ohlkirchen ab. Wir hatten den Rest des Tages damit verbracht, Neros Post zu sortieren und bei ihm in der Klinik auf Besserung zu warten. Der Arzt, der an diesem miesen Tag Dienst hatte, konnte keine Zeit erübrigen, um sich mit mir zu befassen, aber ich war zu ausgelaugt, um Krach zu schlagen. Es hatte sowieso wenig Sinn. Nero war nicht so weit wiederhergestellt, dass er auf eine normale Station hätte verlegt werden können. Man hatte ihm Medikamente verabreicht, die dafür sorgten, dass er schlief, und ich hielt das für eine gute Idee. Auf diese Weise musste er sich keine widerwärtigen Gedanken machen.
    Als ich in die Zufahrt zu meinem Haus einbog, stand ein Wagen da. Ein roter Mini, sah spritzig aus, aber mir behagte unangemeldeter Besuch nicht. Ich dachte an Bastian, der im kalten Wörthsee gelegen hatte, und wappnete mich.
    »Hallo?« Ich stieg aus dem Auto. Schneeregen wehte heran. Was für ein Wind! »Hallo?«, rief ich und griff nach der Taschenlampe im Handschuhfach. Ab und zu hatten sich Typen hier herumgetrieben, und nach Ärger stand mir jetzt nicht der Sinn. Ich musste mich aufwärmen, was Vernünftiges essen, nachdenken und schlafen, genau in dieser Reihenfolge.
    Im Schneematsch sah ich schmale Fußabdrücke, die zum Gänseauslauf führten. Ich ging ihnen nach, leuchtete ins Dunkel. Der Gänsestall hob sich deutlich vor mir ab. Waterloo und Austerlitz! Ob Claude-Yves an die beiden gedacht hatte?
    »Keine Panik!«, kam eine Stimme aus der Finsternis.
    »Wer ist da?«, bellte ich zurück.
    Eine Frau kam mir entgegen. Sie trug einen weiten Mantel, der im Wind flatterte. Ich leuchtete ihr direkt ins Gesicht. Das rote Haar hatte sie hochgesteckt, aber es wollte nicht recht an Ort und Stelle bleiben. Die Strähnen wehten in alle Richtungen. »Ich bin Lydia.«
    Lydia, Moment, Lydia. Musste ich mit dem Namen etwas anzufangen wissen?
    »Claude hat mich gebeten, Ihnen bei den Gänsen auszuhelfen. Er hat im Restaurant alle Hände voll zu tun!« Sie beschirmte ihr Gesicht mit der Hand und blinzelte.
    »Ach, klar.« Ich richtete den Lichtkegel zwischen uns in den Matsch. »Wer hier draußen wohnt, ist vorsichtig.«
    »Verständlich.« Sie war um die 6 0 , drall und fröhlich. »Er hat mir soviel von Ihnen erzählt! Das Buch ist toll geworden.«
    »Was die Kritik nicht unbedingt so sieht.«
    »Das ist ja nichts Neues.« Sie lachte. »Ich bin Texterin in einer Werbeagentur in München. Aber früher habe ich hin und wieder Kritiken geschrieben. Fürs Musikgeschäft. Ganz oben ist die Luft dünn.«
    Ich räusperte mich. Warum nur mussten mir etliche Leute, denen ich durch Zufall über den Weg lief, sofort unterjubeln, dass sie auch vom Fach waren? Schreiberlinge, sozusagen, die eben auch gern eine Biografie, einen Krimi, einen Roman, eine Balladensammlung verfassen würden oder ein entsprechendes Manuskript im Schrank hatten?
    »Das Wichtigste ist, dass man selber überzeugt ist«, gab ich zurück. »Danke, dass Sie sich um die Gänse gekümmert haben.« Rätselhaft, weshalb die beiden so ruhig waren. Sie kamen ja allmählich in das Alter, wo man die Dinge nicht mehr so genau nahm. Graugänse konnten über 15 Jahre alt werden, meine hatten die fünf bald voll. Blieb noch ein bisschen Zeit.
    »Tja, dann!« Lydia strich sich das Haar aus der Stirn. Wahrscheinlich erwartete sie, ich würde sie zu Tee und Frankfurter Kranz einladen.
    »Danke noch mal.« Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Sie war extra hier rausgefahren, Claude-Yves hatte sie darum gebeten. Um mir einen Gefallen zu tun. Aber die Zeiten waren vorbei, wo ich innere Schulden abarbeitete, indem ich versuchte herauszufinden, worauf der jeweils andere aus war.
    Sie winkte, stieg in ihren Mini und brauste davon.
    Schnell lief ich zum Gänsestall. Lockte Austerlitz und Waterloo, öffnete die Stalltür. Sie hockten im Dunkel auf ihrem Stroh, blinzelten, schnatterten schläfrig und wunderten sich über die Störung.
    Der Stall war in Ordnung, Futter vorhanden, alles war, wie es sein sollte. Ich musste Claude unbedingt anrufen, wahrscheinlich würde

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