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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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ich in den nächsten Tagen oft unterwegs sein, um mich um Nero zu kümmern.
    Wenn ich es genau betrachtete, hatte ich mich in meinem bisherigen Leben nie um jemanden gekümmert. Außer um zwei Graugänse.
    Endlich im Haus, legte ich türkische Popmusik für die innere Wärme in den CD-Spieler. Ich musste ein paar Stunden für mich haben, für meine Tagträume und Pläne für weitere Projekte. Immerhin verdiente ich mein Geld mit meiner Fantasie, und diese war ein empfindsames Wesen, vor dem man Respekt haben musste. Ich fuhr mein Notebook im Arbeitszimmer hoch, und während die Verbindung zum Internet aufgebaut wurde, ging ich durchs Haus und schloss alle Jalousien. Hier hatte ich im letzten Jahr einiges investiert. Ich mochte nicht gut sichtbar in einem erleuchteten Haus in der Prärie sitzen. Nicht so wie Cyn. Mein Gott, Cyn. Die war ein spezieller Fall. Ich musste Juliane unbedingt fragen, woher sie das Mädel kannte.
    Ich braute einen Espresso und ging mit dem Tässchen zurück ins Arbeitszimmer. Hier war also mein Rechner, eine Art Brutkasten für meine Gedanken, über eine unsichtbare Nabelschnur mit der Cyberwelt verbunden. Und irgendwo saß rekinom. Las meine Mails, meine Texte.
    Ich konnte unmöglich schreiben. Nicht an diesem Computer. Allerdings würde er dann Verdacht schöpfen. Cyn hatte mich gewarnt. Benimm dich so wie immer. Lass ihn den Braten nicht riechen.
    Also las ich meine Mails, die rekinom vor mir studiert hatte, und druckte die interessanten Anfragen aus. Darunter die Mail des Unternehmers, der sein Leben erzählt haben wollte. Zum Glück hatte er seine Telefonnummer angegeben. Ich würde ihn anrufen. Ob rekinom auch in meinem Handy saß?
    Nach der Pleite mit Bastian wäre dieser Firmengründer mein nächster Kunde. Aber zuvor wollte ich mich aufwärmen und über das Leben nachdenken.
    Ich ließ mir ein Bad ein. Langsam zog ich mich aus. Blöder Winter. Mistiger Schneeregen. Hätte man bei der Erfindung des Planeten ruhig weglassen können. So wie andere Unannehmlichkeiten. Wie pinkeln müssen und Schnupfen und Herzinfarkte. Wenn man sich schon die Mühe machte, die Welt zu erschaffen.
    Ich stieg in die Wanne und aalte mich im heißen Wasser. An der Decke schwebten Spinnweben. Ich wollte eine Putzfrau.
    Der Unternehmer, der mich anheuern wollte, lebte in Leipzig. Perfekt. Ich würde hier wegkommen. Eigentlich war ich ja bodenständig und nahm ungern Aufträge an, bei denen ich reisen musste. Aber gerade jetzt…
    Behaglich im Wasser liegend, gab ich mich Tagträumen von Kunden hin, die auf die Kapverden ausgewandert waren und mich dorthin bestellten, um mir ihre möglichst langen und ereignisreichen Leben zu erzählen. Ich würde mir ein neues Notebook kaufen. Eines ohne Remote-Access. Ich würde einfach nicht mehr ins Netz gehen. Am besten wäre es, die gute alte ›Adler‹ aus dem Keller zu holen.
    Ich tauchte unter, wusch mir das Haar und duschte den Schaum weg. Als ich die Dusche abstellte, hörte ich eine Wagentür zufallen. Sofort stellten sich mir die Nackenhaare auf. Gänsehaut lief über meine vom warmen Wasser geröteten Arme.
    Eine Autotür fiel hier draußen nicht einfach so zu. Jemand wollte zu mir, aber ich wollte niemanden sehen.
    Vielleicht kam das Geräusch ja von der türkischen CD. Eine Trommel oder so.
    Leise knirschte Kies. Der Kiesweg rund ums Haus. Ich war schon aus der Wanne, wickelte mich in mein Handtuch und schlang ein zweites um mein Haar. Soviel also zu meinem entspannten Abend. Klopfenden Herzens schlüpfte ich in mein müffelndes T-Shirt und zog die Jeans über. Als ich die Badezimmertür öffnete, wallte der Wasserdampf wie eine Wolke vor mir her. Das Schlafzimmer lag dunkel da. In der Küche hatte ich das Leselicht am Sofa angelassen, und im Arbeitszimmer warf der Laptop einen bläulichen Schimmer gegen die Wände. Man konnte sehen, dass jemand zu Hause war, Jalousien hin oder her.
    Ich drehte die Musik leiser, nahm mein Handy, schlüpfte in einen Pulli, der über meinem Schreibtischstuhl hing, und fuhr den Rechner hinunter.
    rekinom? Wie gestern Nacht bei Cyn fragte ich mich, ob er plötzlich aus der digitalen Welt in die reale übertreten konnte. Eigenartig: Solange rekinom nur in meinem Rechner schnüffelte, schien er mir unwirklich. Wie eine Figur aus einem Roman, die sich irgendwo herumtrieb, wo man sie nicht dingfest machen konnte.
    Etwas splitterte. Das kurze, schneidende Geräusch drang mir durch Mark und Bein. Das Kellerfenster! Ich griff in die

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