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Washington Square

Washington Square

Titel: Washington Square Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry James
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sich hinzu. ›Lavinia ist dabei, eine Romanze für Catherine aufzuziehen. Dem Mädchen so mitzuspielen, ist schändlich.‹ – »Wie ist denn der Name des Herrn?« fuhr er mit vernehmlicher Stimme fort.
    »Ich habe ihn nicht mitgekriegt und ich wollte den Herrn nicht fragen. Er bat, mir vorgestellt zu werden«, sagte Mrs. Penniman mit einer gewissen Würde, »aber du weißt ja, wie undeutlich Jefferson spricht.« Jefferson |38| war Mr. Almond. »Catherine, Liebe, wie war denn der Name des Herrn?«
    Für die Dauer einer Minute hätte man eine Stecknadel fallen hören können, wenn nicht das Rumpeln des Wagens gewesen wäre.
    »Ich weiß nicht, Tante Lavinia«, sagte Catherine sehr zaghaft. Und ihr Vater, bei all seiner Ironie, glaubte ihr.

|39| 5. KAPITEL
    Auf seine Frage erhielt er etwa drei oder vier Tage später die Antwort, nachdem Morris Townsend mit seinem Vetter am Washington Square vorgesprochen hatte. Mrs. Penniman erzählte ihrem Bruder auf der Heimfahrt nicht, daß sie diesem liebenswürdigen jungen Mann, dessen Namen sie nicht kannte, zu verstehen gegeben hatte, sie samt ihrer Nichte würde sich freuen, seinen Besuch zu erhalten; aber sie war aufs höchste erfreut und sogar ein wenig geschmeichelt, als am vorgerückten Sonntagnachmittag die zwei jungen Herren ihre Aufwartung machten. Daß Morris Townsend seinen Vetter Arthur mitbrachte, ließ sein Kommen natürlicher und zwangloser erscheinen, war doch der Vetter im Begriff, mit der Familie in Verbindung zu treten, und Mrs. Penniman hatte Catherine gegenüber bemerkt, es wäre für ihn ein Gebot der Höflichkeit vorzusprechen. Diese Begebenheiten ereigneten sich im Spätherbst, und Catherine saß mit ihrer Tante in der bereits tiefen Abenddämmerung beim Schein des Kaminfeuers im hohen rückwärtigen Salon.
    Arthur Townsend fiel Catherine zu, während sein Begleiter auf dem Sofa neben Mrs. Penniman Platz nahm. Catherine war bisher keine strenge Kritikerin gewesen; sie war leicht zufriedenzustellen – sie unterhielt sich gern mit jungen Männern. Aber an diesem Abend ließ Marians Verlobter irgendwie in ihr das Gefühl aufkommen, höhere Ansprüche zu stellen. Er saß da, sah ins |40| Feuer und rieb sich mit den Händen die Knie. Was Catherine betraf, so erweckte sie schwerlich gerade jetzt den Eindruck, als wolle sie die Unterhaltung in Gang halten; sie hatte ihre Aufmerksamkeit ganz auf die andere Seite des Zimmers gerichtet und achtete auf das, was zwischen dem andern Mr. Townsend und ihrer Tante vorging. Hin und wieder sah er zu Catherine hinüber und lächelte, wie um zu zeigen, das, was er sage, sei auch für sie bestimmt. Catherine hätte gern ihren Platz gewechselt, um nahe bei ihnen sitzen zu können, wo sie ihn besser hätte sehen und hören können. Aber sie befürchtete, ungehörig zu erscheinen – den Eindruck zu erwecken, als wäre sie hinter ihm her; und überdies wäre es Marians kleinem Freier gegenüber unhöflich gewesen. Sie fragte sich, warum denn der andere Herr ihre Tante ausgesucht hatte – wie er dazu kam, Mrs. Penniman so viel zu sagen, für die junge Männer gewöhnlich nicht gerade viel übrig hatten. Sie war keineswegs eifersüchtig auf Tante Lavinia, aber wohl ein wenig neidisch, und vor allem wunderte sie sich; denn Mr. Townsend war ein Gegenstand, mit dem sich ihrer Meinung nach ihre Phantasie unbegrenzt beschäftigen konnte. Ihr Vetter hatte ein Haus beschrieben, das er für seine Ehe mit Marian ins Auge gefaßt hatte, und die häuslichen Annehmlichkeiten, die er dort einzurichten gedachte; wie Marian ein größeres Haus wollte und Mrs. Almond für ein kleineres war, und wie er überzeugt war, zum schönsten Haus von ganz New York gelangt zu sein.
    »Es kommt nicht so darauf an«, sagte er. »Es ist ja nur für drei oder vier Jahre. Nach drei oder vier Jahren ziehen wir wieder um. Das ist die Art, in New York zu wohnen: alle drei oder vier Jahre umzuziehen. Dann bekommt man immer das Neueste. Das kommt daher, daß die Stadt |41| so schnell wächst – man muß mit ihr Schritt halten. Es geht immer stadtaufwärts – dahin tendiert New York. Wenn ich nicht befürchten müßte, Marian würde sich dort einsam fühlen, würde ich dort hinauf ziehen – ganz oben hin – und abwarten. Nur zehn Jahre muß man warten – und alle kommen dir nach. Aber Marian sagt, sie möchte gern ein paar Nachbarn – sie will kein Pionier sein. Sie sagt, wenn sie die erste Siedlerin sein müßte, würde sie besser nach Minnesota ziehen. Ich

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