Washington Square
nie in die Lage geraten, das versuchen zu müssen.« Und zärtlich, beschwichtigend lachte er ein wenig. Dann fügte er unverzüglich hinzu: »Auch du mußt mir etwas sagen.« Nach ihren letzten Worten hatte sie ihre Augen geschlossen und behielt sie zu; und nun nickte sie, ohne sie zu öffnen. »Du mußt mir sagen«, fuhr er fort, »daß du mir auch dann noch treu bleibst, falls dein Vater absolut gegen mich ist, falls er unsere Heirat vollkommen verbietet.«
Catherine öffnete die Augen, blickte ihn an, und sie konnte kein besseres Versprechen geben, als er darin las.
»Du wirst zu mir halten?« sagte Morris. »Du weißt, daß du deine eigene Herrin bist – du bist volljährig.«
»Ach, Morris«, murmelte sie statt jeder Antwort; oder doch nicht statt jeder; denn sie legte ihre Hand in die |86| seine. Er hielt sie eine Zeitlang und küßte sie dann wieder.
Mehr braucht von ihrem Gespräch nicht festgehalten zu werden; aber wenn Mrs. Penniman zugegen gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich eingestanden, es sei doch gut, daß es nicht am Brunnen auf dem Washington Square stattgefunden habe.
|87| 11. KAPITEL
Catherine lauschte auf ihren Vater, als er an diesem Abend heimkam, und sie hörte ihn in sein Arbeitszimmer gehen. Obgleich ihr das Herz heftig schlug, saß sie fast eine halbe Stunde lang still da. Dann ging sie und klopfte an seine Tür – ein Zeremoniell, ohne das sie niemals die Schwelle dieses Gemachs überschritt. Als sie nun eintrat, fand sie ihn in seinem Lehnstuhl beim Kaminfeuer mit einer Zigarre und der Abendzeitung beschäftigt.
»Ich habe dir etwas zu sagen«, begann sie sehr sanft und setzte sich auf den nächstbesten Platz.
»Es wird mir eine große Freude sein, es zu hören, meine Liebe«, sagte ihr Vater. Er wartete – wartete und sah sie an, während sie lange schweigend ins Feuer starrte. Er war neugierig und ungeduldig; denn er war überzeugt, daß sie von Morris Townsend sprechen wollte; doch er ließ ihr Zeit, da er entschlossen war, sehr mild zu sein.
»Ich habe mich verlobt!« verkündete Catherine schließlich und starrte unverwandt ins Feuer. Der Doktor war aufs äußerste überrascht; die vollendete Tatsache war mehr, als er erwartet hatte; aber er ließ sich keine Überraschung anmerken. »Du tust gut daran, mir das mitzuteilen«, sagte er lediglich. »Und wer ist der glückliche Sterbliche, den du mit deiner Wahl beehrt hast?«
»Mr. Morris Townsend.« Und während sie den Namen ihres Geliebten aussprach, sah sie ihren Vater an. |88| Was sie da erblickte, waren seine ruhigen grauen Augen und sein eindeutiges, unmißverständliches Lächeln. Sie betrachtete all das einen Augenblick und sah dann wieder ins Feuer; es war viel wärmer.
»Wann wurde denn dieses Arrangement getroffen?« fragte der Doktor.
»Heute nachmittag, vor zwei Stunden.«
»War Mr. Townsend hier?«
»Ja, Vater, im vordern Salon.« Sie war sehr froh, daß sie nicht genötigt war, ihm zu sagen, die Zeremonie ihres Verlöbnisses sei dort draußen unter den entlaubten Götterbäumen vor sich gegangen.
»Ist es ernsthaft?« fragte der Doktor.
»Völlig ernsthaft, Vater.«
Ihr Vater schwieg einen Augenblick. »Mr. Townsend hätte es mir sagen sollen.«
»Er möchte es dir morgen sagen.«
»Nachdem ich bereits alles von dir erfahren habe? Er hätte es mir zuvor sagen sollen. Glaubt er, es sei mir gleichgültig, weil ich dir so viel Freiheit gelassen habe?«
»O nein«, sagte Catherine, »er wußte, es würde dir nicht gleichgültig sein. Und wir waren dir zu großem Dank verpflichtet für – für die Freiheit.«
Der Doktor lachte kurz auf. »Du hättest einen besseren Gebrauch davon machen können, Catherine.«
»Bitte sag’ das nicht, Vater!« bat das Mädchen mit sanftem Nachdruck und heftete ihre matten, geduldigen Augen auf ihn. Er paffte eine Weile nachdenklich seine Zigarre. »Ihr seid sehr schnell vorgegangen«, sagte er schließlich.
»Ja«, erwiderte Catherine. »Ich glaube schon.«
Ihr Vater wandte seinen Blick vom Feuer und sah sie |89| flüchtig an. »Es wundert mich nicht, daß dich Mr. Townsend gern hat; du bist so schlicht und so gut.«
»Ich weiß nicht, woher es kommt, aber er hat mich wirklich gern. Ich bin davon überzeugt.«
»Und hast du Mr. Townsend sehr gern?«
»Natürlich habe ich ihn sehr gern, sonst würde ich ihn doch nicht heiraten wollen.«
»Aber du kennst ihn doch erst so kurze Zeit, meine Liebe.«
»Oh«, sagte Catherine mit beträchtlichem Eifer, »man
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