Washington Square
heißt sie doch gleich – Mrs. Montgomery? Ich hätte mich gern etwas mit ihr unterhalten.«
»Ich will versuchen, das in die Wege zu leiten«, entgegnete Mrs. Almond. »Ich werde sie bei der nächstbesten Gelegenheit einladen, und du kannst dann kommen und sie treffen; es sei denn«, fügte Mrs. Almond |77| hinzu, »sie setzt sich vorher in den Kopf, krank zu werden und dich holen zu lassen.«
»Ach nein, nur das nicht; sie muß ohnehin genug Sorgen haben. Aber es hätte den Vorteil, daß ich dann ihre Kinder sehen könnte. Ich würde die Kinder sehr gern kennenlernen.«
»Du bist ungemein gründlich. Willst du sie über ihren Onkel ausfragen?«
»Genau. Ihr Onkel hat mir erzählt, er sei verantwortlich für den Unterricht der Kinder, er erspare ihrer Mutter die Kosten für die Schule. Ich würde ihnen gern einige Fragen aus den Grundfächern stellen.«
»Er ist bestimmt ganz und gar kein Schulmeister«, sagte sich Mrs. Almond bald darauf, als sie sah, wie Morris Townsend sich über ihre Nichte beugte, die in einer Ecke saß.
Und tatsächlich gab es im Augenblick nichts in den Ausführungen des jungen Mannes, was nach einem Pädagogen schmeckte.
»Wollen Sie sich morgen oder übermorgen irgendwo mit mir treffen?« sagte er mit gedämpfter Stimme zu Catherine.
»Mit Ihnen treffen?« fragte sie und sah ihn entsetzt an.
»Ich habe Ihnen etwas Besonderes zu sagen – etwas ganz Besonderes.«
»Können Sie nicht zu uns nach Hause kommen? Können Sie es nicht dort sagen?«
Townsend schüttelte trübsinnig den Kopf. »Ich kann Ihr Haus nicht mehr betreten.«
»Oh, Mr. Townsend!« raunte Catherine. Sie bebte, während sie sich fragte, was geschehen sei – ob ihr Vater es untersagt habe.
|78| »Ich kann es nicht, aus Selbstachtung«, sagte der junge Mann. »Ihr Vater hat mich beleidigt.«
»Sie beleidigt?«
»Er hat sich über meine Armut lustig gemacht.«
»Oh, da irren Sie sich – Sie haben ihn gewiß mißverstanden!« Catherine sprach mit Nachdruck, indem sie sich von ihrem Stuhl erhob.
»Vielleicht bin ich zu stolz – zu empfindlich. Aber möchten Sie mich denn anders haben?« fragte er zärtlich.
»Was meinen Vater betrifft, so dürfen Sie nicht so sicher sein. Er ist die Güte selbst«, sagte Catherine.
»Er hat über mich gelacht, weil ich keine Stellung habe. Ich habe es gelassen hingenommen; aber nur, weil er zu Ihnen gehört.«
»Ich weiß nicht«, sagte Catherine, »ich weiß nicht, was er denkt. Ich bin überzeugt, er meint es gut. Sie dürfen nicht allzu stolz sein.«
»Ich will nur auf Sie stolz sein«, entgegnete Morris. »Wollen Sie mich am Nachmittag auf dem Platz treffen?«
Ein tiefes Erröten Catherines war die Erwiderung auf die vorausgegangene Erklärung. Sie wandte sich ab, ohne auf die Frage zu achten.
»Wollen Sie mich treffen?« wiederholte er. »Es ist ganz ruhig dort – niemand braucht uns zu sehen – um die Dämmerstunde.«
»Sie sind es, der herzlos ist, Sie sind es, der über mich lacht, wenn Sie so etwas sagen.«
»Mein liebes Mädchen!« raunte der junge Mann.
»Sie wissen genau, wie wenig an mir ist, worauf man stolz sein könnte. Ich bin häßlich und einfältig.«
Morris nahm diese Bemerkung mit einem glutvollen |79| Flüstern entgegen, dem sie nichts anderes entnehmen konnte, als die Beteuerung, daß sie seine Liebste sei.
Doch sie fuhr fort: »Ich bin nicht einmal – ich bin nicht einmal –«, und sie stockte einen Augenblick.
»Sie sind was nicht?«
»Ich bin nicht einmal mutig.«
»Also, wenn Sie Angst haben, was sollen wir dann tun?«
Sie zögerte eine Weile, dann sagte sie schließlich: »Sie müssen in unser Haus kommen. Das macht mir keine angst.«
»Mir wäre es auf dem Platz lieber«, drängte der junge Mann. »Sie wissen ja, wie menschenleer er oft ist. Niemand wird uns sehen.«
»Es kümmert mich nicht, wer uns sieht. Aber gehen Sie jetzt.«
Er verließ sie ergeben; er hatte erreicht, was er wollte. Glücklicherweise wußte er nicht, daß das arme Mädchen eine halbe Stunde später auf der Heimfahrt mit ihrem Vater im Gefühl seiner Nähe trotz ihrer plötzlichen Mutäußerung wieder zu beben begann. Ihr Vater sagte nichts; aber sie hatte den Eindruck, seine Augen seien in der Dunkelheit auf sie gerichtet. Mrs. Penniman schwieg gleichfalls; Morris Townsend hatte ihr erzählt, ihre Nichte ziehe ganz unromantisch ein Gespräch in einem mit Chintz bezogenen Salon einem empfindsamen Stelldichein an einem von welkem Laub bedeckten Brunnen
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