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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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doch schon gesagt, sie ist nicht hier.«
    »Schon gut, Albert. Er ist ein Freund von mir.« Hinter uns ist
Marlena auf den Flur getreten.
    Er erstarrt, sein heißer Atem schlägt mir ins Gesicht. Dann reißt er
verwirrt die Augen auf. »Was?«, fragt er.
    »Albert?« Ich bin ebenfalls verwirrt. »Albert?«
    »Aber was ist mit vorhin?«, stammelt Albert.
    »Das ist nicht derselbe Mann. Das ist jemand anders.«
    »August war hier?«, frage ich, als ich schließlich begreife. »Geht
es dir gut?«
    Alberts Blick huscht zwischen Marlena und mir hin und her.
    »Das ist ein Freund von mir. Er hat sich mit dem anderen geprügelt«,
erklärt Marlena.
    Albert lässt mich los. Ungeschickt versucht er, meine Jacke zu
richten, dann streckt er die Hand aus. »Tut mir leid, Kumpel. Sie sehen dem
anderen Kerl verdammt ähnlich.«
    »Ach, schon gut«, sage ich und ergreife seine Hand. Als er zudrückt,
zucke ich zusammen.
    »Er sucht nach dir«, sage ich Marlena. »Du musst woanders hin.«
    »Sei nicht albern«, entgegnet sie.
    »Er war schon hier«, wirft Albert ein. »Ich habe ihm gesagt, dass
sie nicht hier ist, und er schien mir das abzukaufen. Deshalb war ich
überrascht, als Sie – er – ähm, wieder aufgetaucht sind.«
    Unten klingelt die Türglocke. Albert und ich sehen uns an. Ich
dränge Marlena in ihr Zimmer, während er hinunter läuft.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragt er, als ich die Tür schließe. An
seiner Stimme höre ich, dass es nicht August ist.
    Ich lehne mich mit einem erleichterten Stoßseufzer gegen die Tür.
»Mir wäre wirklich wohler, wenn ich dir ein Zimmer suchen dürfte, das weiter
vom Zirkus entfernt liegt.«
    »Nein. Ich will hier bleiben.«
    »Wieso denn?«
    »Er war doch schon hier und sucht mich jetzt woanders. Außerdem kann
ich ihm nicht ewig aus dem Weg gehen. Ich muss morgen zum Zug zurück.«
    Daran habe ich noch gar nicht gedacht.
    Sie durchquert das Zimmer, dabei fährt sie mit einer Hand über den
kleinen Tisch. Dann lässt sie sich auf einen Stuhl fallen und lehnt den Kopf
an.
    »Er wollte sich bei mir entschuldigen«, erzähle ich.
    »Hast du die Entschuldigung angenommen?«
    »Natürlich nicht«, sage ich entrüstet.
    Sie zuckt mit den Schultern. »Dann hättest du es leichter. Wenn du
es nicht tust, fliegst du wahrscheinlich raus.«
    »Er hat dich geschlagen, Marlena!«
    Sie schließt die Augen.
    »Mein Gott – war er schon immer so?«
    »Ja. Na ja, er hat mich noch nie geschlagen. Aber diese
Stimmungsschwankungen? Ja. Ich weiß nie, neben wem ich morgens aufwache.«
    »Onkel Al meinte, er hätte paranoide Schizophrenie.«
    Sie senkt den Kopf.
    »Wie hast du das ausgehalten?«
    »Ich hatte keine große Wahl, oder? Ich hatte ihn schon geheiratet,
als ich es gemerkt habe. Du hast es ja gesehen. Wenn er glücklich ist, ist er
der charmanteste Mann der Welt. Aber wenn ihn etwas aus der Bahn wirft …« Sie
seufzt, und dann schweigt sie so lange, dass ich mich frage, ob sie überhaupt
weitersprechen wird. Als sie es tut, zittert ihre Stimme. »Beim ersten Mal
waren wir gerade drei Wochen lang verheiratet, und es hat mich zu Tode
erschreckt. Er hat einen der Menageriearbeiter so furchtbar verprügelt, dass
der Mann ein Auge verloren hat. Ich war dabei. Ich rief meine Eltern an, um zu
fragen, ob ich nach Hause kommen kann, aber sie wollten eigentlich gar nicht
mit mir sprechen. Schlimm genug, dass ich einen Juden geheiratet hatte, aber
jetzt wollte ich mich auch noch scheiden lassen? Mein Vater ließ mir durch
Mutter ausrichten, ich wäre in seinen Augen an dem Tag gestorben, an dem ich
durchgebrannt bin.«
    Ich gehe zu ihr und knie vor ihr nieder. Ich hebe eine Hand, um ihr
übers Haar zu streichen, lege sie dann aber auf die Armlehne.
    »Drei Wochen später verlor ein anderer Menageriearbeiter einen Arm,
als er mit August die Raubkatzen fütterte. Er ist verblutet, bevor jemand
Näheres herausfinden konnte. Später, in derselben Saison, erfuhr ich, dass August
mir nur deshalb die Pferde für die Freiheitsdressur überlassen konnte, weil
meine Vorgängerin aus dem fahrenden Zug gesprungen ist, nachdem sie den Abend
mit August in seinem Privatabteil verbracht hat. Und das waren nicht die
einzigen Zwischenfälle. Allerdings hat er sich jetzt zum ersten Mal gegen mich
gewendet.« Sie sinkt in sich zusammen, und dann fangen ihre Schultern an zu
beben.
    »Oh, nicht«, stammle ich hilflos. »Nicht. Nicht doch. Marlena – sieh
mich an. Bitte.«
    Sie setzt sich auf und fährt sich mit der Hand

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